Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
in Zeitlupe tasteten seine Hände sich zu seinem Gesicht empor.
Er lebte also tatsächlich noch!
»Papa!«, flüsterte Laura aufgeregt, und der Wunsch, auf der Stelle in die Zelle zu stürmen und ihm um den Hals zu fallen, wurde übermächtig. Aber das wäre Wahnsinn! Der reine Selbstmord! Sie musste das brennende Verlangen unterdrücken, auch wenn ihr das unsagbar schwer fiel.
Der Fhurhur griff unter seinen Umhang und holte eine kleine Phiole hervor – vermutlich der Trank, der Marius Leander erneut in die Todesstarre versetzen würde. Laura hätte am liebsten die Augen geschlossen, als der Schwarzmagier sich über ihren Vater beugte – und konnte den Blick dennoch nicht abwenden.
Völlig unvermittelt ließ Syrin einen Ausruf hören. »Bei allen Dämonen!« Sichtlich verblüfft blickte sie auf das goldene Amulett an ihrem Hals. Ein Zittern hatte es befallen, mehr und mehr bewegte es sich hin und her, um dann, wie von Geisterhand bewegt, wie wild an der Kette auf und ab zu tanzen. Der Schwarze Fürst und der Fhurhur waren nicht minder überrascht als die Gestaltwandlerin, und auch Laura schaute fassungslos auf das Rad der Zeit – das mit einem Mal rot aufleuchtete!
»Verflucht!« Eine Mischung aus Zorn und Verwirrung zeichnete Borborons Gesicht. »Was hat das zu bedeuten?«
Die Echsenaugen der Magierin waren immer noch wie gebannt auf das Amulett gerichtet. »Das Rad der Zeit sehnt sich nach seiner Herrin«, zischte sie verächtlich.
»Eigenartig.« Der Schwarze Fürst musterte sie misstrauisch. »Warum gerade jetzt?«
»Das vermag ich nicht zu sagen. Ich kann nur vermuten, dass das Balg aktiv geworden ist und etwas gegen uns im Schilde führt.« Abrupt wandte Syrin sich ab und sah den Fhurhur mit herrisch vorgerecktem Kinn an. »Du kannst die Prozedur doch auch ohne uns durchführen«, blaffte sie, »oder benötigst du etwa unsere Hilfe?«
»Ich warne dich zum letzten Mal, Weib!« Der alte Mann schien seinen Zorn nur mühsam zu unterdrücken. »Pass auf, was du sagst – oder du wirst es bereuen!«
Die Gestaltwandlerin hatte nur einen verächtlichen Wink für ihn übrig, bevor sie sich wieder an den Schwarzen Fürsten wandte. »Begleitet mich in meine Kammer«, sagte sie, »damit wir uns Klarheit über die Botschaft des Rades verschaffen können!«
Borboron bedeutete dem Schwarzmagier mit einem Nicken, dass er mit der Prozedur fortfahren solle, und verließ mit Syrin den Kerker.
Der Fhurhur schickte den beiden finstere Blicke hinterher, bevor er sich über den Gefangenen beugte, dessen Körper sich mehr und mehr aus der Erstarrung löste.
Marius Leander ahnte längst, was ihm drohte. Er hob wie zur Abwehr die linke Hand – allein es half ihm nichts. Ohnmächtig musste Laura mit ansehen, wie der Fhurhur ihrem Vater zwei Tropfen eines grünlichen Elixiers in den Mund träufelte, worauf die Hand von Marius mitten in der Bewegung verharrte und sein Körper wieder in die Reglosigkeit gebannt wurde.
»Nein!«, stöhnte Laura. Vor ihren Augen begann es sich zu drehen, und ihr war, als liege sie selbst auf dem Lager und alle Lebensgeister würden aus ihr weichen. Ihrer Kräfte beraubt und zu keiner Reaktion mehr fähig, beobachtete sie teilnahmslos, wie ihre Finger den Griff lösten und der Tonkrug laut scheppernd zu Boden fiel.
Syrin und Borboron hatten sich bereits ein geraumes Stück von Marius’ Kerker entfernt, als ein lautes Splittern sie innehalten ließ. Überrascht drehten sie sich um und blickten auf die Trioktiden, die immer noch vor der Zelle standen. »Was war das?«, herrschte der Schwarze Fürst sie an. »Was geht hier vor?«
»Ah… Das… Das muss die Sklavin gewesen sein, die sich um den neuen Gefangenen kümmert«, gab der Lange zur Antwort, während er zur Ecke des Ganges schielte, hinter der sich Laura verborgen hielt und mit bangem Herzen das Gespräch verfolgte. »Sie ist neu und noch ziemlich ungeschickt.«
Borborons Miene bewölkte sich, und glühender Zorn spiegelte sich in den roten Augen. »Dann ist es an der Zeit, dass du ihr beibringst, wie eine Sklavin ihren Dienst zu versehen hat. Sorg dafür, dass ihr die Ungeschicklichkeiten schleunigst vergehen. Und wenn auch das nichts fruchten sollte, dann ist ihr Schicksal besiegelt – hast du verstanden?«
»Natürlich, mein Gebieter«, antwortete der Lange, und auch der andere Kerkermeister erwachte aus seiner Lethargie. »Keine Angst, Herr«, sagte er, und die Aussicht, das Mädchen mit allerhöchster Erlaubnis hart anpacken
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