Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
bin.«
»Alienor?«
»Ja. Die Blonde, die vor dir stand… am Tor. Sie… Sie soll nach meinen Wunden sehen, denn sonst… sonst –« Damit verlor er wieder das Bewusstsein, und sein Kopf sank kraftlos auf den Boden.
Laura fühlte seinen Puls: Er lebte noch. Wie konnte sie dem armen Mann nur helfen? Was konnte sie für ihn tun? Eigentlich nichts – außer seine Botschaft zu überbringen.
Schweren Herzens verließ Laura die Zelle. Bevor sie den Hauptgang erreichte, lugte sie vorsichtig um die Ecke.
Ihr Gehör hatte sie nicht getrogen. Stiefel dröhnten, und mit ausladenden Schritten näherten sich drei Gestalten aus der Tiefe des Ganges. Zwei Männer und eine Frau. Laura erkannte die echsenhafte Schwarzmagierin sofort.
Syrin!
Alarik hatte Recht: Sie lebte wirklich noch, auch wenn das für den menschlichen Verstand kaum zu erfassen war. Aber welche der aufregenden Dinge, die sich in der jüngsten Zeit ereignet hatten, waren schon mit dem Verstand zu erfassen?
K apitel 22 Das
Verlies des
Schwarzen Fürsten
yrin sah noch genauso aus wie damals, vor Hunderten von Jahren, als Laura ihr in der mittelalterlichen Burg Ravenstein begegnet war. Syrin schien nicht eine Minute älter geworden zu sein und trug offenbar auch noch dasselbe smaragdgrüne Gewand, das sie auf Reimars Bankett getragen hatte. Nur die Kette mit dem goldenen Anhänger, die um ihren Hals hing, war neu. Das Mädchen erkannte erst auf den zweiten Blick, worum es sich bei dem höchstens drei Zentimeter großen Amulett handelte: Es war ein stilisiertes Rad mit acht Speichen – das Rad der Zeit!
Zu Tode erschrocken, rang Laura nach Luft – und begriff im selben Moment, wie das zu erklären war: Ihr Vater hatte sie in der Nacht zu ihrem dreizehnten Geburtstag in seiner Traumgestalt besucht. Als seine Traumreise jäh unterbrochen wurde, hatte er die Kette in der Hand gehalten. Auf diese Weise also war das kostbare Rad der Zeit nach Aventerra – und in die Hände von Syrin gelangt. Kein Wunder, dass die Schwarzmagierin mächtiger war als jemals zuvor. Das von Lichtalben zu Anbeginn der Zeiten aus dem gleichen Gold wie der Kelch der Erleuchtung geschmiedete Amulett verstärkte die Kräfte und Fähigkeiten seines Trägers um ein Vielfaches – und so verlieh es nun der Magierin nahezu grenzenlose Macht.
Die Gruppe war vor dem Verlies von Marius Leander angekommen. Die Trioktiden hatten sich längst von ihren Schemeln erhoben und buckelten vor den Besuchern.
Ihr Anführer war ein hoch gewachsener Mann. Seine kräftige Gestalt war in einen schwarzen Umhang gehüllt, der fast bis zum Boden reichte. Der Griff des Schwertes, mit dem der Finstere gegürtet war, ragte daraus hervor. Das Gesicht mit der Adlernase war totenbleich wie das von Syrin. Der schmallippige Mund verriet die Grausamkeit, die ihn beseelte. Seine Augen glühten rot wie Lava, als er die Kerkerwärter ansah.
»Aufmachen!«, befahl er barsch.
Ein Schauder lief Laura über den Rücken, und die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf: Ihr war schlagartig bewusst geworden, dass die Stimme, die direkt aus den Schlünden der Hölle zu kommen schien, nur dem Schwarzen Fürsten gehören konnte.
Borboron!
Auch das Verhalten der Kerkerwärter deutete darauf hin. Sie wagten dem Anführer der Dunklen Mächte nicht einmal ins Gesicht zu sehen, sondern verharrten mit gesenktem Kopf an ihrem Platz. Mühsam stotternd brachte der Lange eine Antwort zustande: »So… So… Sofort, Herr!« Mit zittrigen Fingern nestelte er beflissen den riesigen Schlüsselbund vom Ledergurt, den er um den Leib trug, schloss die Gittertür auf und trat zur Seite, damit der Schwarze Fürst und seine Begleiter eintreten konnten.
Borboron ließ einem unscheinbaren Mann im scharlachroten Umhang den Vortritt. Laura konnte dessen Gesicht nicht erkennen, da er die Kapuze weit in die Stirn gezogen hatte. Dennoch hegte sie nicht den geringsten Zweifel, dass er einer der berüchtigten Fhurhurs war. Alarik hatte ihr erzählt, dass nur diese Schwarzmagier solche Umhänge tragen durften.
Gefolgt vom Schwarzen Fürsten und Syrin, begab sich der Fhurhur an das Lager von Marius Leander. Als der Schwarzmagier sich an Borboron wandte, erhaschte Laura einen Blick auf sein kränklich gelbes Gesicht mit den zahllosen Altersflecken.
»Wir sind gerade zur rechten Zeit gekommen«, krächzte das Männchen mit bösem Grinsen, bevor er sich wieder über Marius beugte.
Und wirklich: Laura beobachtete, dass ihr Vater sich zu regen begann. Wie
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