Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
eine zu lange Geschichte, als dass ich sie dir jetzt erzählen könnte. Sag mir lieber, woher du die Kleider hast, die du trägst?«
»Ähm«, antwortete Laura und wollte gerade zu einer Erklärung anheben, als der wuschelhaarige Trioktid um die Ecke bog. Ohne Vorwarnung schlug er ihr ins Gesicht und deutete auf die Scherben, die auf dem Boden verstreut lagen. »Das ist für den Krug! Beim nächsten Mal wirst du die Peitsche zu spüren kriegen, ist das klar?«
Laura antwortete nicht, sondern rieb sich nur die brennende Wange.
»Ist das klar?«, brüllte der Kerkerknecht erneut.
Alienor versetzte Laura einen Stoß in die Rippen, und die verstand sofort. »Ja, Herr«, sagte sie eilig.
Ein zufriedenes Grinsen erhellte das finstere Gesicht des Wärters. »Und jetzt mach, dass du zu Syrin kommst! Wie es scheint, hat sie große Sehnsucht nach dir.«
Laura zögerte – und spürte ein zweites Mal Alienors Ellenbogen. »Natürlich, Herr«, wiederholte sie deshalb rasch und eilte davon. Sie hörte noch, wie der Trioktid Alienor anherrschte, sie solle die Scherben aufsammeln.
In diesem Moment trat der Fhurhur aus dem Verlies von Marius Leander. Mit trippelnden Schritten entfernte er sich, während der dünne Aufseher die Gittertür verriegelte.
Laura konnte nicht umhin, einen Blick in die Zelle zu werfen.
Gleich einer steinernen Statue ruhte ihr Vater auf dem Strohlager, dazu verdammt, zumindest weitere achtundzwanzig Tage in der Todesstarre vor sich hinzuvegetieren. Es war ja ausgeschlossen, dass sich in der Dunklen Festung jemand fand, der ihm das Gegenmittel verabreicht -
Laura zuckte wie vom Donner gerührt zusammen.
Natürlich!
Das war es! Sie selbst konnte ihm das Gegenmittel verabreichen, sie musste es nur finden!
Ihr Kopf flog herum, und ihre Augen suchten den Fhurhur. Das Männchen im scharlachroten Kapuzenumhang war bereits am Ende des schummrigen Ganges angelangt und trat gerade durch einen Mauerbogen ins Treppenhaus. Wenn sie sich an seine Fersen heftete, würde es sie vielleicht an den Ort führen, an dem es seine Zaubertränke und magischen Elixiere aufbewahrte.
Das Ganze war viel leichter, als Laura sich vorgestellt hatte. Niemand schöpfte Verdacht, während sie dem Fhurhur über den Burghof und ins Innere der Schwarzen Festung folgte. Dabei wimmelte es überall nur so von Schwarzen Rittern, Bediensteten und Kindersklaven. Und auch die Hunde, Katzen und diese widerwärtigen Giftschleicher schienen allgegenwärtig zu sein. Doch wie im Kerker hielt man Laura offenbar auch hier für eine der Sklavinnen; selbst die Wachen ließen sie anstandslos passieren.
Der Schwarzmagier drehte sich nicht einmal nach ihr um. Sein roter Umhang flatterte, während er durch die verwinkelten Flure seinem Gemach zustrebte. Es war in einem der hohen Türme gelegen. Die Wendeltreppe führte fast endlos in die Höhe, aber den alten Mann schien das Treppensteigen zu Lauras Verwunderung überhaupt nicht anzustrengen. Er bewegte sich stetig und mit gleichmäßiger Geschwindigkeit, Stockwerk um Stockwerk hinter sich lassend.
Endlich ging er auf eine Tür neben der Treppe zu. Sie war nicht verriegelt.
Laura suchte Deckung hinter einem Pfeiler, während der Fhurhur in die Kammer trat. Er musste es sehr eilig haben, denn er ließ die Tür offen stehen und machte sich an einem großen Schrank an der gegenüberliegenden Wand zu schaffen. Dutzende von Behältern der verschiedensten Art – Tiegel, Flaschen, Becher, Schalen, Töpfe, Phiolen und Glaskolben – waren darin aufgereiht. Der Fhurhur holte die Phiole unter seinem Umhang hervor und stellte sie dazu.
Hoffentlich ist auch das Gegenmittel in dem Schrank verwahrt!, schoss es Laura durch den Kopf. Eine freudige Erregung erfasste sie, und ihr Herz klopfte unwillkürlich schneller.
Eilends verließ der Magier sein Gemach, zog die Türe hinter sich zu und entfernte sich. In Gedanken versunken, passierte er den Pfeiler, hinter dem Laura sich verborgen hielt. Das Mädchen wagte nicht zu atmen – doch auch diesmal bemerkte der Fhurhur es nicht. Nur wenig später verhallten seine Tritte in der Tiefe des Treppenhauses.
Laura spähte in den Gang: Es war niemand zu sehen! Rasch huschte sie auf die Kammer zu. Die Klinke machte nicht den geringsten Lärm, als sie sie nach unten drückte. Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen. Laura trat ein – und erblickte durch ein schmales Fenster ein ungewöhnliches Sternzeichen am nächtlichen Firmament.
Wie magisch angezogen, ging sie
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