Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
entführt wird!«
»Natürlich nicht!« Laura warf ihm einen ungeduldigen Jetzt-kapier-doch-endlich-Blick zu. »Die Dunklen haben das nur so arrangiert, um seine Flucht vorzutäuschen.«
»Aber warum?« Kevin war nicht anzusehen, ob er sich über Laura ärgerte oder nicht. »Was haben die denn davon?«
Lukas kam der Schwester wieder einmal zuvor. »Da müsstest du eigentlich von selbst drauf kommen, du Spar-Kiu«, erklärte er herablassend. »Die angebliche Flucht erhärtet doch den Mordverdacht gegen den Professor und verschlechtert gleichzeitig seine Chancen bei einem möglichen Prozess. Außerdem gibt es niemanden, der ein größeres Interesse am Verschwinden von Morgenstern haben könnte als die Dunklen. Quintus kann nun wieder schalten und walten, wie es ihm beliebt, und uns allen das Leben so schwer wie möglich machen…«
»… und außerdem kann ich ohne Aurelius wahrscheinlich nicht rechtzeitig an den Kelch kommen!«, ergänzte Laura. »Sie müssen irgendwie herausgefunden haben, dass nur der Direktor das Versteck kennt.«
Nachdenklich starrten die Freunde vor sich hin. Für einen Moment sagte keiner ein Wort, sodass das fröhliche Gezwitscher der Vögel im Park zu hören war.
»Oh, nö! So ein Mist aber auch«, brach Kaja nach einer Weile die Stille. »Was machen wir denn jetzt?«
»Hab ich doch vorhin schon gesagt!«, sagte Laura unwirsch. »Wir müssen herausfinden, was sich in der Nacht, in der der Professor verschwunden ist, zugetragen hat. Wenn meine Vermutung stimmt, dann dürfte Aurelius nicht freiwillig mitgegangen sein. Vermutlich hat er sich gewehrt und um Hilfe gerufen. Wäre doch möglich, dass irgendjemand was gehört oder sonst was Verdächtiges mitbekommen hat.«
Lauras Hoffnung, dass Percy und Miss Mary sie bei ihren Nachforschungen unterstützen könnten, erfüllte sich leider nicht. Dr. Schwartz hatte die beiden derart mit zusätzlicher Arbeit eingedeckt, dass ihnen kaum mehr eine freie Minute blieb, und so gingen die Freunde notgedrungen allein ans Werk. Sie teilten sich auf, um in kürzester Zeit so viele Ravensteiner wie möglich zu befragen. Aber niemand hatte in der betreffenden Nacht etwas Außergewöhnliches beobachtet. Obwohl sie mit fast allen Lehrern, Schülern und Angestellten sprachen, wusste keiner etwas Auffälliges zu berichten. Die Freunde wollten schon aufgeben, als Attila Morduk ihnen doch noch einen Erfolg versprechenden Hinweis lieferte.
Laura und Lukas hatten den Hausmeister in seiner Hütte aufgesucht. Laura konnte sich nicht helfen: Wenn der Glatzkopf nicht seine übliche grimmige Miene zur Schau trug, musste sie immer an Shrek, das Kuschelmonster, denken. Weil er dann nämlich dem gutmütigen Oger aus dem gleichnamigen Film zum Verwechseln ähnlich sah. Besonders wenn er so kindlich grinste wie in diesem Moment, als Cleopatra, Attilas Lieblingsboa, sich um seine Schultern ringelte und zischend an seiner Nase züngelte.
Mit einem Mal patschte Morduk sich mit der behaarten Pranke auf den Schädel. »Ach, du Schreck«, sagte er verblüfft. »Jetzt, wo ihr fragt, erinnere ich mich plötzlich wieder, dass mir damals in der Tat etwas merkwürdig vorgekommen ist.«
»Ah, ja?« Voller Spannung blickte Laura den Mann an. »Was denn?«
»Ich musste nämlich noch mal raus in der Nacht damals. Es muss so zwischen drei und vier Uhr morgens gewesen sein.«
»Wieso das denn?«
Der Glatzkopf grinste verlegen. »Wegen Sir Bourbon. Er war so unruhig in der Nacht.«
Laura wunderte sich. »Sir Bourbon?«
Attilas Grinsen wurde noch breiter, und selbst seine polierte Glatze schien zu strahlen. »Mein Alligator. Er hat früher einem Schwarzbrenner in Florida gehört, und der hat ihm immer seinen Fusel zu saufen gegeben. Deshalb spielt Sir Bourbon manchmal verrückt. Besonders in Vollmondnächten. Aber wenn ich dann ein bisschen mit ihm spazieren gehe, beruhigt er sich meistens wieder.«
»Und bei diesem Spaziergang ist dir was aufgefallen?«
Morduk nickte. »Es war eine klare Nacht, und ich konnte alles deutlich sehen. Nur das Häuschen des Professors nicht. Weil es nämlich von einem dichten Nebelschleier eingehüllt war.«
»Und das ist dir merkwürdig vorgekommen?«
»Ja… Das heißt natürlich, nein… Also, damals noch nicht. Aber je länger ich darüber nachdenke, umso komischer finde ich das.« Der Hausmeister legte die hohe Stirn in Falten und hob den Zeigefinger. »Ihr müsst nämlich wissen: Immer wenn es hier Nebel gibt, zieht er aus der Talsenke herauf
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