Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
wer weiß?« Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Letztlich kann uns das ja auch egal sein, Laura. Der Schrank ist nur gemalt und kommt deshalb als Versteck nicht in Frage. Und das ist nun wirklich nahe liegend – selbst wenn Attila sich auf den Kopf stellt!«
Laura fuhr mit der Hand über die Wand. Sie fühlte sich vollkommen glatt an. Als ob das Gemälde mit einem Firnis, einer unsichtbaren Schutzschicht, überzogen worden sei. Irritiert verzog sie das Gesicht. »Komisch, dass man sich so viel Mühe gemacht hat mit diesem Fresko. Hier unten kriegt das Kunstwerk doch kaum jemand zu sehen.«
Erneut legte Lukas die Stirn in Falten. »Du hast Recht. Und selbst die wenigen, die das Geheimarchiv kannten, hatten so gut wie nichts davon!«
Laura blickte den Bruder verständnislos an. »Wie meinst du das?«
»Schau dich doch mal um: Das Fresko befindet sich in der abgelegensten Ecke des Raumes. Man sieht es weder von der Tür aus noch vom Ausleihtresen. Und selbst vonden Lesetischen aus nicht. Wenn man es betrachten will, muss man sich eigens in den Gang hier begeben.«
»Jetzt, wo du es sagst, fällt mir das auch auf.«
»Aus welchem Grunde sollte man eine Wand verzieren, noch dazu mit einem derart realitätsgetreuen Gemälde, wenn es von niemandem gesehen wird?«
Laura musterte das Bild angestrengt. »Aber… Irgendetwas muss man sich dabei doch gedacht haben – oder?«
»Davon gehe ich aus!« Über den Rand seiner Brille schaute Lukas die Schwester nachdenklich an. »Die Frage ist nur – was?« Dann blickte er auf die Uhr. »Oh, Mann, schon gleich halb vier«, sagte er hastig. »Die Mönche stehen bald auf. Am besten wir verziehen uns. Wir können hier eh nichts mehr ausrichten!«
Laura seufzte enttäuscht und schloss sich unwillig dem Bruder an, der zum Ausgang strebte. Ein letztes Mal noch drehte sie sich um und betrachtete das seltsame Himmelszeichen an der Decke. Die sieben Sterne funkelten und strahlten so hell, als wollten sie ihr etwas mitteilen.
A ls hätten sie eine geheime B otschaft.
Doch Laura vermochte sie nicht zu entschlüsseln. Es war ihr, als würde all das Leuchten ihr den Blick auf das Geheimnis verstellen, das dahinter verborgen lag. Niedergeschlagen ging sie weiter. Mit einem Mal jedoch blieb das Mädchen wie angewurzelt stehen. Einen Moment wirkte Laura wie versteinert, bis eine plötzliche Erkenntnis ihr Gesicht zum Strahlen brachte wie die aufgehende Sonne.
Natürlich! Wie hatte sie nur so blind sein können!
Und warum hatte sie sich nicht eher an Morduks Worte erinnert: »Wer etwas zu verbergen hat, sollte tunlichst das nahe Liegende meiden!« Wenn es für jeden nahe liegend war, dass der Kelch nicht in einem gemalten Schrank verborgen sein konnte, dann war genau dieser Schrank ein geradezu perfektes Versteck!
»Warte, Lukas!«, rief sie aufgeregt, machte kehrt und eilte auf das Gemälde zu. Noch im Laufen konzentrierte sie all ihre Gedanken und ihre gesamte Energie auf das Fresko, blendete alles um sich herum aus – und noch im selben Augenblick bemerkte sie, wie die bemalte Wand unmerklich zu flimmern begann und durchlässig zu werden schien.
Lukas blieb verwundert stehen, drehte den Kopf und blickte über die Schulter zurück – und sah gerade noch, wie Laura einen Schritt in das Fresko hinein machte. Im nächsten Augenblick war sie spurlos verschwunden, als habe die Mauer sie verschluckt.
K apitel 27 Ein
kniffliges Rätsel
er Goldmond und der Menschenstern standen hoch über Hellunyat und überfluteten die Gralsburg mit warmem Licht. Paravain wanderte unruhig auf dem großen Turm auf und ab. Die Sorge trieb ihn um. Die Sorge um Alienor. Um Silvan. Um den Kelch der Erleuchtung.
Und die Sorge um die Zukunft der Welten.
Natürlich hatte Elysion Recht. Sie durften nicht zur Gewalt greifen, denn damit würden sie die Sache des Lichts verraten. Aber was geschah, wenn Borborons Plan aufging? Wenn es ihm tatsächlich gelang, sich in den Besitz des Kelches zu bringen und bei der Gelegenheit Laura gefangen zu nehmen?
Dann war die Sache des Lichts doch verloren, und sie würden den Legionen seiner Schwarzen Krieger wohl kaum noch Widerstand leisten können. Die Dunklen Mächte würden triumphieren, und das Ewige Nichts unweigerlich die Herrschaft antreten.
Aber genau das durfte nicht sein.
Niemals!
Paravain wusste nur nicht, wie er das verhindern sollte, und sosehr er sich auch das Gehirn zermarterte – es wollte ihm keine Lösung einfallen.
Als er Morwenas
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