Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Schwestern oder Brüder, in der Regel von einer Mauer eingeschlossen sind. Womit natürlich verhindert werden soll, dass Leute das Klostergelände betreten, die dort nichts zu suchen haben.«
»Na, super! Wollen wir hoffen, dass wir wenigstens reinkommen.« In Lauras Stimme schwang Ärger mit. Sie konnte es einfach nicht ausstehen, wenn ihr Bruder sich wie ein wandelndes Lexikon aufführte und mit seinem Wissen protzte. »Aber falls man uns doch den Zutritt verweigert, wird dir Super-Kiu ja ganz bestimmt eine Lösung einfallen!«
Lukas grinste wie ein Lama – er freute sich diebisch, dass es ihm einmal mehr gelungen war, die Schwester auf die Palme zu bringen.
Die Straße endete direkt vor der Abtei. Konrad lenkte den Wagen auf den leeren Parkplatz neben der hohen Mauer. Er war gerade groß genug, um die Autos der wenigen Touristen zu fassen, die das Kloster in den Sommermonaten besuchten. In der kalten Jahreszeit verirrte sich offensichtlich kaum jemand an den abgeschiedenen Ort.
Konrad Köpfer stellte den Motor ab und drehte sich zu seinen Fahrgästen um. »Möchten die Herrschaften, dass ich sie begleite?«
Kevin blickte Laura fragend an, doch die schüttelte rasch den Kopf – das fehlte gerade noch, dass der neugierige Kerl hinter ihnen herschnüffelte!
»Nein danke, Konrad«, beschied Kevin den Hausdiener.
Dann stiegen die Freunde aus.
Die Luft war kalt und klar, und die schneebedeckten Gipfel der Berge, die das Tal säumten, glänzten matt in der Nachmittagssonne. Eine fast paradiesische Stille lag über der Abtei. Nur das fröhliche Gezeter der Vögel drang an Lauras Ohr. Sie turnten im kahlen Geäst der hohen Bäume herum, die den Parkplatz säumten.
Ein stabiles Holztor versperrte den Eingang des Klosters. Gleich daneben befand sich in der Mauer eine Tür mit einer kleinen Luke, die jedoch geschlossen war. Kurzerhand packte Laura das geschmiedete Klopfeisen, das darunter hing, und hämmerte gegen die Pforte. Ein metallisches Geräusch zerriss die nachmittägliche Stille.
Nur Augenblicke später näherten sich Schritte, Schuhe knirschten auf Kies. Das Schaben eines Riegels war zu hören, die Luke wurde geöffnet, und ein mondförmiges Mönchsgesicht tauchte darin auf. »Was ist euer Begehr, meine Kinder?«, erkundigte sich der Ordensbruder mit hoher Stimme, die eher zu einem Knaben als zu einem erwachsenen Mann passte.
Laura lächelte ihn freundlich an. »Wir möchten zu Pater Dominikus.«
Die Miene des Pförtners bewölkte sich. »Und – was wollt ihr von unserem Bruder Bibliothekar?«
»Ähm«, stotterte Laura überrascht. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass man ausgerechnet einem Blinden die Klosterbibliothek anvertraut hatte! Zunächst wollte ihr keine plausible Antwort einfallen, doch dann kam ihr eine Idee. »Unser Direktor, Professor Aurelius Morgenstern, meint, der Pater könne uns vielleicht helfen.«
Ein strahlendes Lächeln erhellte das feiste Gesicht. »Wohl denn, wenn das so ist, dann wollen wir euch nicht länger warten lassen«, säuselte der Portarius besänftigt. Damit wurde die Luke geschlossen, das Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssels war zu hören, und die Pforte schwang knirschend auf. Mit einer einladenden Geste wies ihnen der Ordensmann den Weg ins Innere. »Tretet ein, meine Kinder, und seid willkommen im Namen unseres Herrn.«
Höflich erwiderten die Freunde den Willkommensgruß. »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen«, fügte Laura noch hinzu, während sie das Mönchlein musterte.
Es sah aus, als sei es direkt einem Werbespot für einen wohlschmeckenden Kräuterlikör oder eine geheimnisvolle Naturarznei entsprungen: Sein Kopf mit den roten Pausbacken thronte übergangslos auf dem gedrungenen Körper, der fast ebenso breit wie groß war. Die Kutte aus dunkelbrauner Wolle spannte sich über die mächtige Wölbung des Bauches, und fast hatte es den Anschein, als würde die dicke Kordel, mit der der Mann gegürtet war, nicht nur das Ordensgewand zusammenhalten, sondern auch den Leib am Platzen hindern.
»Wenn ihr mir bitte folgen würdet?« Damit drehte Bruder Pförtner sich um und watschelte wie eine plattfüßige Ente davon.
Die Freunde folgten ihm auf dem Fuß. Die Schläge der Turmuhr verkündeten die dritte Mittagsstunde, während sie den kiesbedeckten Hof überquerten. Er war von der schlichten Klosterkirche und dreistöckigen Gebäuden begrenzt, die wohl die Wohn- und Schlafräume der Mönche beherbergten. Schon nach wenigen
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