Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
ihr warmes Licht auf den ältesten der alten Planeten ergossen. Gut, dachte die Elevin, dann kann ich die ganze Nacht hindurch reiten – vorausgesetzt, die Wache lässt mich passieren.
Mit klopfendem Herzen lenkte sie den Braunen auf das große Tor von Hellunyat zu.
Sie war kaum am Portal angelangt, als der Torwächter aus dem Wachhäuschen trat. »Halt! – Was hast du vor, Alienor?«
Das Mädchen kannte den Mann. Vor einem Mond hatte es ihn gepflegt, als er mit schlimmen Magenkrämpfen in den Krankentrakt gebracht worden war. »Wonach sieht es denn aus, Galano?« Alienor mühte sich, ruhig zu bleiben, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. »Ich will einen Ausritt machen, das siehst du doch!«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, aber daraus wird nichts. Ritter Paravain hat angewiesen, strengstens darauf zu achten, dass nach Einbruch der Dunkelheit nur bewaffnete Ritter die Burg verlassen!«
»Ach, tatsächlich?« In ihrer Aufregung klang die Elevin ungewohnt schnippisch. »Und Morwena hat mich angewiesen, Misteln zu schneiden im Raunewald.«
Doch Galano blieb stur. »Damit wirst du wohl bis morgen warten müssen.«
»Aber – wir brauchen sie dring –«
»Nichts zu machen!«, fiel der Wächter ihr barsch ins Wort. »Befehl ist Befehl – und Paravain reißt mir den Kopf ab, wenn ich ihn nicht befolge.«
Alienor kannte die Anweisung des Weißen Ritters ebenso gut wie der Torwächter. Aber sie musste aus der Burg, koste es, was es wolle! Sie musste den Mann dazu bringen, sie passieren zu lassen – nur wie?
»Äh«, hob sie an. »Ich verstehe dich ja, Galano, doch ich kann nicht bis morgen warten.«
»Und wieso nicht?«
»Weil… Äh… Weil Misteln ihre volle Heilkraft nur dann entfalten, wenn sie beim Licht des Mondes geschnitten werden!«
»Ach.« Der Mann wirkte nachdenklich. »Wirklich?«
»Wirklich!« Alienor bemühte sich um einen überzeugenden Ton. »Du erinnerst dich doch an die schrecklichen Krämpfe, die dich neulich geplagt haben.«
Galano verzog gequält das Gesicht. »Hör mir bloß auf!«
»Der Trank, der deinem Leiden Linderung verschafft hat, wird aus Misteln gebraut. Aus Misteln, die im Mondlicht geschnitten werden. Sonst wirkt er nämlich nicht, und dich würden vielleicht heute noch Schmerzen quälen.«
»Hmm«, brummte der Torwächter und rieb sich das Kinn.
»Wenn du mich nicht in den Raunewald lässt, kann Morwena keinen neuen Sud aufsetzen, und der Nächste, dem das Gleiche widerfährt wie dir, Galano, wird schlimmste Pein erdulden müssen. Das willst du doch nicht, oder?«
Der Wächter starrte sie ratlos an, trat aber dann zur Seite. »Nun reite schon, Alienor«, sagte er. »Aber kein Wort zu Paravain, versprochen?«
»Natürlich nicht!« Alienor lächelte und trieb das Steppenpony mit einem leichten Schenkeldruck an. »Vielen Dank- und auf immer gute Gesundheit!« Damit hielt sie auf den Raunewald zu.
Galano blickte ihr nach. Er konnte nicht ahnen, dass er Morwenas Elevin für lange Zeit nicht wiedersehen würde.
A m nächsten Tag war der Urlaub von Familie Leander zu Ende. Gleich nach dem Frühstück brachen sie auf. Während Laura und Lukas sich von Kevin verabschiedeten, wartete Sayelle bereits ungeduldig auf dem Beifahrersitz des BMW, mit dem Konrad Köpfer sie nach Hohenstadt chauffieren sollte.
Am Himmel über Hinterthur hatten sich dunkle Wolken zusammengeballt, gerade so, als teile die Natur die Trübsal, die Laura erfasst hatte. Ihr war wehmütig ums Herz, denn die Zeit mit Kevin hatte Spaß gemacht. Sie würde ihn vermissen.
Hastig drückte sie dem Jungen die Hand. »Vielleicht können wir uns ja mal wiedersehen«, sagte sie mit belegter Stimme. »In den nächsten Ferien, oder so?«
»Natürlich.« Kevin lächelte gequält. Auch ihm schien der Abschied schwer zu fallen. »Aber vielleicht auch schon früher, wer weiß?«
Lukas zog die Stirn in Falten. »Was willst du damit andeuten?«
»Nichts.«
»Du sprichst in Rätseln, Mann«, brummte Lukas missmutig, bevor er sich auf die Rückbank des Wagens verzog. Laura folgte dem Beispiel des Bruders.
Die Stiefmutter drehte sich nach ihnen um, ungeduldig wie immer. »Kann es endlich losgehen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, startete Köpfer die Limousine. Laura wunderte sich ein wenig, dass Mister L nicht erschienen war, um sich von Sayelle zu verabschieden. Aber wahrscheinlich hatte er das bereits im Haus getan. Die Stiefmutter zierte sich offensichtlich, ihre Gefühle vor
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