Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Eine weiße Taube flatterte aus dem Ärmel hervor und stieg in den nächtlichen Himmel auf.
»Glaubst du im Ernst, dass du mich mit einer derart erbärmlichen Finte hereinlegen kannst?«, zischte Borboron wütend.
Elysion antwortete nicht, sondern griff erneut an.
Pfeilschwinge, der Adler des Lichts, hatte das Zeichen seines Herrn jedoch richtig verstanden. Geschwind stieg er bis über die Wolken empor.
Nur Augenblicke später begann das Unwetter. Die Blitzlinge und Donnerwommer erzeugten einen Furcht einflößenden Sturm. Blitze, gleißend hell und wie von Titanen geschleudert, zuckten aus den Wolken zu Boden und fuhren unter ohrenbetäubendem Krachen mitten in das versammelte Heer. Die Wolkentänzer sorgten indes dafür, dass das dichte Gewölk aufriss und ein Loch über den beiden Duellanten entstand, aus dem blutrotes Licht auf die Ebene von Calderan hinunterflutete.
Borborons Männern stockte bei dem ungewohnten Anblick der Atem: Die beiden Monde waren verschwunden. An ihrer Stelle stand ein riesiger roter Flammenring am Firmament. Eine mächtige Feuerschlange, die sich in den eigenen Schwanz biss, schien sich dort zu ringeln.
Ein erschrockenes Raunen aus Tausenden von Kehlen erfüllte die Ebene von Calderan. Die Schattenkrieger schrien vor Entsetzen laut auf. Sie hatten aus dem Helet getrunken und erinnerten sich deshalb nicht mehr daran, dass es sich bei der unheimlichen Himmelserscheinung lediglich um eine aventerranische Mondfinsternis handelte. Sie hielten den Flammenkranz der Gestirne tatsächlich für die Feuerschlange.
Ihre Schreckensrufe hallten so unheimlich durch die Nacht, dass selbst der Schwarze Fürst einen Augenblick abgelenkt wurde.
Darauf hatte Elysion nur gewartet. Mit einer schnellen Bewegung drang das Schwert des Lichts in den Leib des Schwarzen Fürsten und durchbohrte sein Herz.
Doch obwohl Borboron tödlich verwundet schien, fand auch das Schwert des Bösen sein Ziel. Pestilenz durchbohrte die Brust von Elysion und traf ihn mitten ins Herz. Schon sanken beide Herrscher zu Boden.
L aura taumelte entsetzt zurück, als sie Kevin erblickte. Erst kurz vor dem geöffneten Portal erlangte sie das Gleichgewicht wieder.
Kevin folgte ihr mit verschlagenem Grinsen. »Damit hast du nicht gerechnet, stimmt’s? Wie solltest du auch? Du warst im Tal der Zeiten so mit dem Drachen beschäftigt, dass du gar nicht bemerkt hast, wie ich von seinem Rücken geglitten und in der magischen Pforte verschwunden bin, nicht wahr?«
Laura antwortete nicht. Sie überlegte, wie sie dem Jungen entkommen konnte.
»Kennst du das, Laura?« Kevin zog den Reißverschluss seiner Windjacke auf, sodass eine goldene Kette sichtbar wurde, die er um den Hals trug. Daran baumelte ein Amulett, das ebenfalls aus Gold war: das Rad der Zeit, das die Lichtalben am Beginn der Welten geschmiedet hatten!
Laura erblasste, als sie das Amulett erblickte, das die im Zeichen der Dreizehn geborenen Wächter von Generation zu Generation weitergereicht hatten. »Deshalb konntest du auch hier auf der Erde eine andere Gestalt annehmen.«
»Genau.« Der Junge grinste. »Das Rad der Zeit verleiht seinem Träger besondere Kräfte, wie du weißt! Was für ein Glück, dass Syrin, meine Mutter, es vor genau einem Jahr in ihren Besitz bringen konnte!«
Laura wich einen weiteren Schritt zurück. Hinter sich hörte sie ein heiseres Zischen, das immer vernehmlicher wurde. »Aber wer ist dann Saskia?«, fragte Laura. »Und warum hast du ausgerechnet ihre Gestalt benutzt?«
»Ach, die!« Kevin winkte gelangweilt ab. »Die sitzt in Hamburg und ahnt nicht das Geringste davon, dass ich ihre Identität benutzt habe. Wir wussten, dass du einem Mädchen eher vertrauen würdest. Dass wir Saskia Burwieck ausgewählt haben, ist reiner Zufall. Das Los hätte genauso gut eine andere treffen können.«
»Kevin!«, schrie Maximilian Longolius wie von Sinnen. »Bring mir endlich den Ring, schnell!«
Der Verleger war rasend schnell gealtert. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, sein Haar war schütter geworden. Longolius wirkte wie ein Greis von neunzig Jahren. »Meinen Ring, schnell!«, kreischte er.
Der Junge verengte den Blick. »Los – gib ihn mir!« Die Hand mit dem Messer schnellte vor. »Mach schon!«
»Niemals!«, entgegnete Laura und nahm die Verteidigungshaltung an, die sie im Fechtunterricht gelernt hatte. »Du musst ihn dir schon holen, wenn du dich traust!«
»Miststück!«, fluchte der Junge und stürmte wütend auf sie
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