Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
nach Ravenstein.
Nachdem Anna Leander ihre Kinder verabschiedet hatte, brauste sie in Richtung Universitätsbibliothek davon, denn sie wollte endlich ihre Diplomarbeit abschließen.
Als die Geschwister auf das Eingangstor zugingen, hielt auf dem Besucherparkplatz ein Wagen, aus dem eine Frau und ein dunkelhaariger Junge ausstiegen. Der Junge besaß einen auffälligen Leberfleck auf der linken Wange, der ihm ein lustiges Aussehen verlieh.
Laura stutzte, denn er kam ihr bekannt vor, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, wo und wann sie ihn schon einmal gesehen hatte.
Die Frau gab dem Jungen zum Abschied einen Kuss auf die Wange. »Jetzt mach aber, Yannik!«, sagte sie. »Du musst doch nicht gleich am ersten Schultag zu spät kommen. Direktor Morgenstern wird es wohl kaum als Entschuldigung gelten lassen, dass du heute Geburtstag hast.«
»Schon gut, Mama«, erwiderte der Junge verlegen. »Ich geh ja schon.« Er drehte sich um und wollte auf das Burggebäude zuhasten, als er mit einem Male stehen blieb und den beiden Buchsbaumhunden, die im Rasen standen, einen überraschten Blick zuwarf.
Was hat er nur?, wunderte sie Laura und eilte ihm nach. Am Fuß der Freitreppe holte sie ihn ein. »Warte mal«, rief sie. »Herzlichen Glückwunsch!« Sie lächelte. »Wir haben am gleichen Tag Geburtstag.«
Der Junge lächelte. »Danke – dir auch! Ich bin dreizehn, und du?«
»Vierzehn«, antwortete Laura. Gemeinsam gingen sie die Stufen zum Eingang hoch. Plötzlich blieb Yannik stehen und betrachtete verwundert die Säule, die in der Gestalt eines Riesen gehalten war.
Seltsam, dachte Laura. Warum verhält er sich so eigenartig? Als sie aufblickte, bemerkte sie Direktor Aurelius Morgenstern an einem der Fenster im obersten Stock. Der Internatsleiter schien den Jungen zu beobachten – als hätte er auf ihn gewartet.
Ja, klar!, dachte Laura. Natürlich wird Yannik von Professor Morgenstern erwartet. Es ist schließlich sein erster Tag auf Ravenstein!
Auch Percy Valiant und Miss Mary Morgain standen an einem Fenster. Für einen Moment glaubte Laura, das Lächeln der beiden Lehrer gelte ihr. Doch dann fiel ihr auf, dass sie ebenfalls den Jungen anblickten.
Leichter Ärger stieg in dem Mädchen auf. Meine Güte!, kam es ihm in den Sinn. Nur weil er neu bei uns ist, müssen sie doch nicht gleich so einen großen Bahnhof machen. Was ist denn so Besonderes an dem Kerl?
Als sie die Eingangshalle betraten, blieb Yannik erneut wie angewurzelt stehen. Diesmal war es das Gemälde der Weißen Frau mit dem Wolf, das ihn so fesselte.
Laura wurde es zu bunt, und sie wollte ihn schon einfach stehen lassen. Was gab es da schon groß zu sehen? Eine Frau in einem weißen Kleid und ein Wolf, der ihr zu Füßen lag. Die seltsame Geschichte, die den beiden angeblich widerfahren war, hörte sich so an, als stammte sie geradewegs aus einem Fantasy-Roman.
Als sie sich gerade abwenden wollte, bemerkte sie die Angst in Yannicks Gesicht.
»Was ist denn los?«, fragte sie.
»Ähm«, antwortete Yannik mit bleicher Miene. »Es ist alles… ähm… so merkwürdig.«
Laura zog die Brauen hoch.
»Dieser Riese auf der Säule und diese beiden Buchsbaumhunde und dieses Gemälde… mir war, als wären sie irgendwie lebendig«, gestand der Junge ihr bedrückt. »Und außerdem«, fuhr er fort, »hatte ich heute Nacht einen ziemlich eigenartigen Traum.«
»Ich auch.« Laura machte eine beschwichtigende Geste. »Mach dir nichts draus! War doch nur ein Traum.«
Der Junge schwieg. Er sah Laura nur aus großen Augen an, und für einen Moment glaubte sie große Furcht darin zu erkennen.
Deshalb knuffte sie ihn freundschaftlich in die Seite. »Keine Angst, Yannik«, sagte sie und lächelte ihn aufmunternd an. »Glaub mir – es wird alles gut. Ganz bestimmt sogar!«
E * N * D * E
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