Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Hügel sei. Aus diesem Grunde habe die Erhebung damals auch ihren Namen erhalten: Teufelskuppe. Angeblich hatte der damalige Hausbewohner einen Pakt mit Satan geschlossen und diesem seine Seele versprochen, wenn er ihm zu Wohlstand verhelfen würde. Schon kurz darauf gehörte der Mann zu den reichsten Menschen des Landes, doch dafür musste er später einen entsetzlichen Preis zahlen: Eines Nachts, als ein gewaltiges Unwetter mit zuckenden Blitzen und grollendem Donner über dem Haus tobte, klopfte nämlich der Teufel an seine Tür und erinnerte ihn an die Vereinbarung, die sie abgeschlossen hatten. Alles Jammern und Klagen half nichts: Satan nahm die versprochene Seele des Mannes in Besitz, die seitdem in der Hölle schmorte.
»Das ist doch nur ein dummer Aberglaube, oder?«, fragte Laura zaghaft, als der Bauer geendet hatte.
Nikodemus hob die Brauen. »Ich berichte nur, was man sich in Drachenthal so erzählt. Welche Schlüsse du daraus ziehst, ist ganz alleine deine Sache.« Für einen Moment blickte er versonnen vor sich hin. »Bemerkenswert ist allerdings«, fuhr er dann fort, »und damit komme ich auf deine Begegnung mit dieser Katze zurück: Verständlicherweise hatte der Teufel kein Interesse daran, dass Außenstehende seine Anwesenheit bemerkten. Deshalb hat er sich dem Gebäude stets in der Gestalt einer großen schwarzen Katze genähert – das wird jedenfalls behauptet. Auch an dem Tag, an dem der damalige Besitzer auf Nimmerwiedersehen verschwand, hat man angeblich ein solches Tier auf der Teufelskuppe gesehen.«
»Reine Einbildung«, brummte Marius, obwohl seine angespannte Miene verriet, dass ihn die Erzählung sehr wohl beunruhigte. »Oder vielleicht ist an diesem Tag rein zufällig eine schwarze Katze dort herumgeschlichen.«
Bauer Dietrich schenkte der Bemerkung keine Beachtung. »Der damalige Handel soll dem Satan jedenfalls so gut gefallen haben, dass er sich seitdem regelmäßig auf der Teufelskuppe auf die Lauer legt, um nach weiteren Opfern Ausschau zu halten. Ob er noch mehr dieser Teufelspakte abschließen konnte, darüber wird nichts berichtet. Allerdings…« – Nikodemus machte eine Pause, um seine Zuhörer ein wenig auf die Folter zu spannen – »… sind im Laufe der Jahre tatsächlich einige Menschen in der Umgebung der Teufelskuppe spurlos verschwunden. Und jedes Mal wurde dort zuvor eine schwarze Katze gesichtet. Sie war nicht nur riesig groß, sondern hat auch nach Feuer und Schwefel gestunken – wie das beim Teufel ja ebenfalls der Fall sein soll.«
»Was?« Laura war kreidebleich geworden. »Ist das wirklich wahr?«
»Keine Ahnung!« Wieder führte Nikodemus die Pfeife zum Mund. »Wie schon erwähnt: Ich gebe nur das wieder, was man sich hier erzählt. Mir persönlich ist eine solche Katze noch nicht begegnet – und deshalb kann ich auch nicht beurteilen, ob an den Gerüchten etwas dran ist oder nicht. Tatsache allerdings bleibt, dass in dieser Gegend mehrere Leute spurlos verschwunden sind. An das letzte Mal kann ich mich sogar noch recht gut erinnern.«
»Wirklich?« Laura sah ihn wie gebannt an. »Wann war das denn?«
»Das ist noch gar nicht so lange her«, antwortete der Bauer und wandte den Blick zum Himmel, der sich bereits dunkler färbte. Der Wind frischte auf, und Laura fröstelte. Sie zog den Reißverschluss ihres Anoraks zu und steckte die Hände in die Taschen. »Es war vor acht Jahren, fast auf den Tag genau«, fuhr Nikodemus Dietrich fort. »Etwa zur gleichen Zeit, als ihr beide, deine Mama und du, verunglückt seid.« Er drehte den Kopf und schaute Marius an. »Erinnerst du dich nicht mehr?«
»Nur vage. Ich weiß zwar noch, dass jemand vermisst wurde, aber ich hatte damals ganz andere Sorgen…« Lauras Vater zuckte mit den Schultern.
»Ja, natürlich.« Der Bauer legte Marius tröstend die Hand auf die Schulter, eine mächtige Pranke, der man die Spuren harter körperlicher Arbeit ansah. »Es tut mir leid, dass ich wieder an der alten Geschichte gerührt habe.«
»Kein Problem.« Marius lächelte gequält. »Auch wenn es uns allen nahezu unmöglich schien – wir mussten uns schweren Herzens damit abfinden, dass Anna tot ist.«
Niemals!, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Damit werde ich mich nie im Leben abfinden!
Trotzig kniff Laura die Augen zusammen. Wieder musste sie an die Worte denken, mit denen der doppelköpfige Drache sie in Aventerra verabschiedet hatte: »Ich wünsche Euch aus ganzem Herzen, dass Ihr das Geheimnis, das Eure Mutter
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