Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
reichlich merkwürdig vorkam. Wie passte das denn zu der Behauptung ihres Vaters? Eigentlich gar nicht!
Belog er sie vielleicht, damit sie es sich noch anders überlegte? Gut möglich. Wahrscheinlich hatte Marius den Sportlehrer auch dazu veranlasst, sie in den Stall zu schleppen. Damit Monsieur Valiant ebenfalls auf sie einredete und sie umzustimmen versuchte. Warum kapierten die beiden denn nicht, dass sie im Moment Wichtigeres zu tun hatte, als zu reiten? Warum ließen sie sie nicht einfach in Ruhe?
Aber nicht mit mir, meine Herren!, dachte Laura grimmig. Mein Entschluss steht unverrückbar fest.
Dabei war Sturmwind ein wirklich tolles Pferd, ein prächtiger Schimmel, dessen Schweif und Mähne eigentümlicherweise schwarz waren, was höchst selten vorkam. Laura hatte so etwas noch bei keinem anderen Schimmel beobachtet.
Sturmwind stand in seiner Box, der letzten im Gang, hatte Laura den Kopf zugewandt und schnaubte freudig. Seine spitzen Ohren bewegten sich aufgeregt hin und her, während er mit den Vorderhufen scharrte.
Laura trat an die Tür, und sofort schob Sturmwind ihr den Kopf entgegen. Offensichtlich erwartete er, dass sie ihm zur Begrüßung den schlanken Hals tätschelte. Sie wollte schon die Hand ausstrecken, als ihr erneut ein Schwall des muffigen Stallgeruches in die Nase stieg. Unwillkürlich zuckte Laura zurück. Wie hatte sie das früher nur ausgehalten?
Der Schimmel schnaubte erneut und musterte sie traurig aus großen dunklen Augen. Was hast du denn?, schien er zu fragen.
Percy Valiant kam aus der Nachbarbox, in der sein eigenes Pferd untergebracht war: Salamar, ebenfalls ein Schimmel wie Sturmwind, wenn auch nicht ganz so schnell. Der Sportlehrer hatte nur rasch die Raufe mit frischem Heu gefüllt. Nun trat er neben das Mädchen und betrachtete die Pferde mit unverhohlener Bewunderung. »Sind wir beide niischt glückliisch zu schätzen, dass wir diese Prachtexemplare besitzen?«, fragte er. »Sturmwind und Salamar sind einfach ’errliische Tiiere, findest du niischt?«
Obwohl Laura an seinen französischen Akzent gewöhnt war, musste sie lachen. »Klar, natürlich.« Laura musterte den Lehrer. Worauf will Percy bloß hinaus?, grübelte sie und nahm die zärtlichen Annäherungsversuche ihres Schimmels kaum wahr, der sie mit seiner weichen Nase vorsichtig anstupste. »Habe ich jemals etwas anderes behauptet?«
»Na, also!« Percy Valiant strahlte sie an, als hätte sie ihm das Blaue vom Himmel versprochen. »Iisch wusste doch, dass du von Sturmwind niischt lassen kannst! Am besten, wir machen gleisch einen Ausritt, n’est-ce pas ?«
»Einen Moment!« Laura tat einen Schritt rückwärts und hob abwehrend die Hände. »So war das nicht abgemacht, Monsieur Valiant! Ich will Sturmwind nicht loswerden. Aber ich will ihn nicht mehr reiten, jedenfalls im Moment nicht. Wenn ich wieder mehr Zeit dazu habe, in ein paar Wochen oder Monaten vielleicht, bekomme ich möglicherweise wieder Lust dazu. Und aufs Fechten vielleicht auch.«
»Aber Laura! Wie stellst du dir das denn vor, hein ?« Percy schüttelte den Kopf und sah aus wie ein trauriger kleiner Junge, dem man das liebste Spielzeug weggenommen hat. »Dein ’engst braucht doch regelmäßisch Bewegung! Am besten jeden Tag, sonst verkümmert er und ge’t am Ende noch ein. Iisch kann mir niischt vorstellen, dass das in deiner Absiischt liegt, oder?«
»Selbstverständlich nicht!«, antwortete Laura ungehalten. »Ich finde es richtig fies von Ihnen, dass Sie mir so etwas unterstellen!«
» Pardon! Diese Absiischt ’atte iisch keineswegs.« Der Sportlehrer legte die Hände aneinander und sah sie beinahe beschwörend an. »Aber wenn du niischt mit Sturmwind ausreitest, läuft das in letzter Konsequenz doch aufs Gleische ’inaus!«
Laura schluckte. »Dann … Dann muss sich eben jemand anders um ihn kümmern.«
»Und wer bitte sollte das sein, Mademoiselle ?«
»Keine Ahnung.« Laura zuckte die Schultern und fuchtelte mit der rechten Hand vor ihrem Gesicht herum, um eine lästige Fliege zu vertreiben, die unbedingt auf ihrer Nase landen wollte. »Wie wär’s denn zum Beispiel mit … ähm … mit …« In diesem Moment kam ihr die Erleuchtung! »Wie wär’s denn mit Lukas?«, fragte sie freudestrahlend. »Der hätte zumindest genügend Zeit. Bei seinen Super-Noten muss er für die Schule doch nichts machen. Wer weiß, vielleicht findet er sogar Spaß am Reiten. Ich rufe ihn gleich mal an!« Damit zog sie das Handy aus der Jeanstasche und
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