Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
Hhelmland geherrscht, das sich entlang der Küste des südlichen Eismeers erstreckte und im Süden von Deshiristan und im Norden vom großen Donnerfluss begrenzt wurde. Beide Reiche waren durch enge Freundschaft verbunden.
Morwena und Paravain kannten sich schon von Kindesbeinen an, und im Alter von dreizehn Jahren hatte der Hüter des Lichts sie beide an die Gralsburg Hellunyat berufen. Jeder erstgeborene Sohn des Königs der Hhelmlande war seit alters her zum Anführer der Weißen Ritter auserkoren. Den ältesten Königstöchtern der Nebellande lag hingegen das Talent für die Heilkunst im Blut. Ihnen wurde daher das Privileg zuteil, diese besonderen Gaben auf Hellunyat zu höchster Blüte zu bringen. Obwohl die jeweiligen Herrscherfamilien sehr traurig waren, wenn sie ihre Kinder ziehen lassen mussten, erfüllte sie doch der Stolz darauf, den Mächten des Lichts in vorderster Linie dienen zu dürfen.
»König Rumor wird meine Freude mit Sicherheit teilen.« Elysion strich Morwena freundschaftlich über den Oberarm und wandte sich daraufhin dem jungen Ritter zu. »Nur schade, dass König Artas und Königin Gunivain diesen Jubeltag nicht mehr erleben können.«
Paravain nickte, und Wehmut erfüllte sein Herz. Seine Eltern waren bald nach seiner Abreise von einem Fieber dahingerafft worden. Da Paravain der einzige Sohn von Artas war, ging die Thronfolge auf Mortas über, und seitdem saß der jüngere Bruder des alten Königs auf Tintalls Thron. Auf dem Weg zu König Rumor wollte Paravain auch seinen Oheim aufsuchen und ihn von der bevorstehenden Vermählung unterrichten.
»Bei der Gelegenheit werde ich König Mortas um die Erlaubnis bitten«, erklärte der Ritter, »auch meine Vermählung auf Burg Tintall feiern zu dürfen. Bereits mein Vater und mein Großvater haben dort geheiratet, und deren Väter und Großväter auch. An dieser Tradition würde ich gerne festhalten, wenn mein Oheim es gestattet.«
»Das wird König Mortas ohne Zweifel tun. Und sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, schließt ihr den Ehebund eben hier auf Hellunyat. Dieses Fest für euch ausrichten zu dürfen, wäre mir ein Vergnügen und eine Ehre zugleich.«
»Ihr seid zu gütig, Herr!« Die Heilerin errötete und verneigte sich vor ihrem Gebieter.
»Ich kann mich Morwenas Worten nur anschließen.« Auch Paravain deutete einen Diener an. »Allerdings hoffe ich, dass wir Euer Angebot nicht in Anspruch nehmen müssen.«
»Aber wieso denn?« Sanft lächelte der Hüter des Lichts. »Wie schon gesagt: Es wäre mir eine Ehre. Zumal das kommende Mittsommernachtsfest auch für mich selbst von besonderer Bedeutung ist.«
»Tatsächlich?« Morwena und Paravain schauten einander überrascht an. »Und warum, wenn Ihr die Frage gestattet?«
»Aber natürlich, meine Kinder.« Elysions gütiger Blick streifte die Heilerin und dann den Ersten seiner Ritter. »Ähnlich wie ihr beide stehe auch ich vor einem entscheidenden Wendepunkt in meinem Leben.«
A ls Laura ihr Zimmer im Mädchenflügel betrat, war ihr hübsches Gesicht immer noch von Zorn gezeichnet. »Die sind wohl alle verrückt geworden!«, schnaubte sie und ließ sich der Länge nach auf ihr Bett fallen. Die Federn quietschten lauten Protest.
Kaja sah von dem Buch auf, in dem sie gerade schmökerte. »Verrückt geworden? Wen meinst du damit? Pinky? Direktor Morgenstern? Oder sonst noch jemand?«
»Einfach alle!« Lauras Stimme klang gedämpft, weil sie auf dem Bauch lag und den Kopf ins Kissen drückte. »Langsam habe ich den Eindruck, dass hier in Ravenstein jeder mit jedem Tag nur noch bescheuerter wird, und zwar ohne Ausnahme!« Schniefend drehte sie sich um und schaute die Freundin an. Tränen schimmerten in ihren Augen. »Meine Familie, der Direktor, Miss Morgain und Herr Valiant – und selbst du, Kaja!«
»Ich?«, fragte Kaja verständnislos. »Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Würdest du mir das bitte mal erklären?«
»Erklären! Erklären! Erklären!«, äffte Laura sie wütend nach. Sie sprang auf und lief wie ein gestörtes Zootier im Zimmer auf und ab. »Was gibt es da groß zu erklären? Seit Wochen behandelt ihr mich wie eine exotische Wunderblume und zeigt für alles Verständnis, was ich tue, und sei es noch so behämmert.« Sie beugte sich zu ihrer Freundin hinab und blickte ihr direkt ins Gesicht. »Nennst du das vielleicht normal?«
»Äh … Wi-Wi-Wieso denn nicht?«, stotterte Kaja.
»So ein Quatsch!« Laura zitterte fast vor
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