Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
was Laura in den letzten Monaten durchmachen musste, hat sie unser vollstes Verständnis und damit Nachsicht verdient.«
Laura schüttelte den Kopf und starrte den Direktor wie benommen an. Was sollte dieses alberne Gequatsche? Womit um alles in der Welt hatte sie Verständnis verdient? Und warum behandelte sie seit Wochen jeder wie ein rohes Ei? Die Eltern und ihr Bruder, Kaja – und jetzt fing auch noch Morgenstern damit an! Sie war doch nicht krank, verflixt noch mal! Was hatte sie schon groß durchgemacht in den letzten Monaten: nichts, absolut nichts! Sie hatte sich durchs Schuljahr gequält und war ein Jahr älter geworden – genau wie andere Schüler auch. Das war noch lange kein Grund, sie wie ein schonungsbedürftiges Prinzesschen zu behandeln.
Laura hatte endgültig die Nase voll. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und schaute vom Direktor zu ihrer Lehrerin. »Wissen Sie was?«, sagte sie mit finsterer Miene. »Das Ganze wird mir langsam zu blöd. Ich habe keine Ahnung, was Sie mit dieser Rätselstunde bezwecken – und deshalb werde ich jetzt gehen!« Damit drehte sie sich um und lief zur Tür.
»Nicht doch, Laura! Komm zurück, bitte!«
Laura jedoch schenkte Morgenstern kein Gehör und verließ das Zimmer, ohne innezuhalten.
Fast schien es, als hätte Pinky Taxus damit gerechnet. Mit zufriedenem Grinsen wandte sie sich an Aurelius Morgenstern. »Ssoweit alsso zu den mildernden Umsständen, Herr Professsor.« Der Triumph in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Auch ich werde Ssie nun allein lasssen, damit Ssie in aller Ruhe über eine angemesssene Besstrafung von Laura nachdenken können.« Rebekka Taxus erhob sich. »Ich bin äußsersst gesspannt auf Ihre Entscheidung. Aber lasssen Ssie ssich damit nicht zsu lange Zseit. Ssonst ssähe ich mich nämlich gezswungen, den Förderverein zsu informieren.« Mit dieser unverhohlenen Drohung eilte Pinky hoch erhobenen Hauptes aus dem Büro, wie eine stolze Amazone, die ihrem ärgsten Feind soeben den entscheidenden Schlag versetzt hat.
Aurelius Morgenstern dagegen stützte erschöpft die Ellbogen auf den Schreibtisch, bettete das Haupt auf die faltigen Hände und starrte besorgt vor sich hin.
N achdem die zwölf Weißen Ritter von ihren Schimmeln gestiegen waren, bestätigten sie Pfeilschwinges Angaben: Der Schwarze Fürst hatte bei seinen Untergebenen so viel Ansehen verloren, dass ihm nicht nur die Verbündeten die Treue aufkündigten, sondern sogar seine eigenen Krieger.
Ein Spitzel, den sie bereits vor längerer Zeit in die Reihen der Schwarzen Garde eingeschleust hatten, wusste Ungeheuerliches zu berichten: Der Mann hatte ein vertrauliches Gespräch zwischen Aslan, dem Anführer von Borborons gefürchteter Leibgarde, und zwei Unterführern belauscht. Darin hatte Aslan, der für seine Grausamkeit berüchtigt war, sich äußerst unzufrieden gezeigt und angedroht, seinem Gebieter den Dienst zu verweigern, falls die Dunkeln Streitmächte nicht alsbald Verstärkung erhielten.
Mehr noch: Unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit hatte er seinen Untergebenen anvertraut, dass er sich mit dem Gedanken trug, ins Lager des Lichts überzuwechseln. »Im Augenblick können wir gegen Elysion und seine Krieger nichts ausrichten«, hatte Aslan gesagt. »Wenn sie uns angreifen, würden sie uns vernichtend schlagen – und ich habe keine Lust, meinen Kopf für eine verlorene Sache zu riskieren!«
»Das könnte dem Schurken so passen!« Voll Abscheu kräuselte Paravain die Lippen. »Sein Mäntelchen einfach nach dem Wind zu hängen und sich auf die Seite der Stärkeren zu schlagen, macht ihn noch lange nicht zu einem Krieger des Lichts!«
»Natürlich nicht«, meinte Morwena besänftigend. »Aber es beweist, wie verzweifelt die Lage in der Dunklen Festung sein muss.« Sie wandte sich wieder an den Spähtrupp. »Täusche ich mich, oder sieht es tatsächlich so aus, als könnten die Dunklen Heere uns in nächster Zeit nicht mehr gefährlich werden?«
»Genau das ist unser Eindruck«, bestätigte Selena, eine der beiden jungen Frauen, die Aufnahme in den edlen Kreis der Weißen Ritter gefunden hatten. »Selbst wenn Borboron die Treue seiner Untergebenen zurückgewinnen kann, werden viele Monde ins Land gehen, bis die Dunklen Heere ihre alte Stärke zurückgewonnen haben. Bis dahin werden sie es kaum wagen, uns anzugreifen. Daher haben wir auf längere Zeit nichts von ihnen zu befürchten.«
»Welch überaus erfreuliche Nachricht!«, sagte die Heilerin
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