Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
aus wie ein kleines Mädchen, das seinem Bruder einen besonders gelungenen Streich gespielt hat. »Dass du bis dahin mein Fahrrad in Schuss bringst, okay?«
Lukas verdrehte die Augen. Im Gegensatz zu seinem eigenen Bike, das tadellos in Ordnung war, musste das Rad seiner Schwester umfassend überholt werden: Der Vorderreifen war platt, die Kette locker und beide Bremsen funktionierten nicht richtig. Das war mächtig viel Arbeit, und Lukas wusste nicht, ob er rechtzeitig fertig sein würde. Trotzdem fügte er sich in sein Schicksal. »Okay, Laura, einverstanden. Morgen Nachmittag um drei ist deine Mühle fast wie neu und einwandfrei in Schuss!«
»Das will ich schwer hoffen«, antwortete Laura, die sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen konnte. »Sonst kannst du unseren Ausflug zum Ochsenkopf nämlich vergessen.«
Als Laura am nächsten Tag den Friseursalon verließ und in den betagten Volvo Kombi ihres Vaters stieg, um mit ihm nach Ravenstein zurückzufahren, machte Marius Leander große Augen. »A-A-Aber Laura«, stammelte er verwirrt. »Wa-Wa-Was ist das denn?«
»Meine neue Frisur, was sonst?«, erwiderte sie und drehte den Kopf, damit er sie von allen Seiten bewundern konnte. »Hübsch, nicht wahr?«
Marius antwortete nicht, sondern starrte seine Tochter an wie unter Schock. Von Lauras langen blonden Haaren, die wie seidige Schleier bis auf ihre Schultern gefallen waren, war nicht viel übrig. Laura hatte sie erheblich stutzen lassen und trug nun eine moderne Kurzhaarfrisur, die ihr allerdings nicht weniger hübsch zu Gesicht stand. Im Gegenteil – sie verlieh ihr ein forsches Aussehen, das ihrem kecken Wesen sogar mehr entsprach als die langen Haare.
»Nun ja«, sagte Marius Leander denn auch nach einer Weile. »Nicht übel, Laura, aber eben anders als früher.« Mit einem merkwürdigen Unterton fügte er hinzu: »Und vielleicht ist das ja genau das Richtige.«
Laura runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. »Wie meinst du das, Papa?«
»Ach, vergiss es«, wehrte Marius ab. »War nur so dahergeredet, weiter nichts.«
Er startete und setzte den Blinker. Während ihr Vater darauf wartete, den Wagen zwischen die Fahrzeuge auf der Hauptstraße einfädeln zu können, musterte Laura ihn von der Seite. Schon möglich, dass der Kommentar tatsächlich keine tiefere Bedeutung gehabt hatte. Andererseits kannte Laura ihren Vater gut genug, um bereits am Klang seiner Stimme einschätzen zu können, wie er seine Aussagen meinte. Und bei dieser Bemerkung hatte er sich zweifelsfrei etwas gedacht, auch wenn Laura der Sinn dahinter verborgen blieb.
Nicht zum ersten Mal in letzter Zeit!
Es war schon nach drei Uhr, als Laura sich schließlich auf den Weg zu Lukas machte. Natürlich hatte auch Kaja ihre neue Frisur eingehend begutachten und kommentieren müssen. Die Freundin war begeistert gewesen und schwärmte in den höchsten Tönen. »Die steht dir supergut, Laura, einfach toll!«, sagte Kaja bewundernd, während sie Laura umkreiste, um sie von allen Seiten betrachten zu können. »Sie gefällt mir noch besser als deine langen Haare, und die waren bestimmt nicht übel!« Dann prustete Kaja unvermittelt los. »Du wirst sehen, ab sofort laufen dir alle Jungs hinterher, und ganz besonders Mr Cool. Der ist doch immer noch in dich verschossen, auch wenn du ihn im letzten Jahr so krass abserviert hast!«
»So ein Quatsch«, hatte Laura entrüstet geantwortet und war so rasch wie möglich aus dem Zimmer geeilt. Kaja musste ja nicht mitbekommen, dass Lauras Gesicht von einer Sekunde auf die andere knallrot angelaufen war. Sie hatte inzwischen über Philipp nachgedacht und konnte überhaupt nicht mehr verstehen, weshalb sie den Jungen damals »abserviert« hatte, wie Kaja es bezeichnete.
Wie ein gehetztes Reh sprang Laura durch das Treppenhaus der Eingangshalle hinab, damit Lukas nicht zu lange auf dem Innenhof der Burg warten musste. Sie legte eben die letzten Stufen zurück, als sie aus dem anderen Treppenhaus, das zum Jungenflügel führte, ebenfalls hastige Schritte vernahm. Sie kamen rasch näher. Beim Anblick des Jungen setzte Lauras Herz für einen Schlag aus.
Mr Cool.
Auch Philipp reagierte heftig auf das unvermutete Zusammentreffen: Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie auf eine Weise an, die Laura nicht recht zu deuten wusste.
Überrascht?
Entsetzt?
Oder gar schockiert?
Laura schluckte. Es war doch nicht etwa ihre neue Frisur, die für diese Reaktion verantwortlich war? Oder
Weitere Kostenlose Bücher