Laura, Leo, Luca und ich
19 Jahren – meinen Führerschein habe ich als 1 6-jähriger Austauschschüler in Texas geschnorrt.
Doch Laura bremst mit, wenn sie neben mir sitzt. Die Stelle am Fahrzeugboden ist schon ganz aufgescheuert. Sie atmet scharf ein, wenn sie glaubt, dass es gefährlich wird. Vielleicht hat Laura zu viele Statistiken gelesen. Und die besagen, dass Männer die schlechteren Autofahrer sind. Ich glaube das nicht, denn das trifft ja wohl nur zu, wenn man den verwaschenen Terminus »Schlechtes Autofahren« mit »Unfallverursachen« gleichsetzt und Faktoren wie »Fahrzeugbeherrschung auf schwierigem Terrain« oder »Ein- und Ausparken vor vollbesetzten italienischen |76| Cafés« unberücksichtigt lässt. Die Statistik ist wie eine Laterne am Hafen: Sie dient dem betrunkenen Seemann mehr zum Halt beim Kotzen als zur Erleuchtung. Diesen Satz habe ich von meinem Berliner Kumpel Belo, der steif und fest behauptet, er sei von ihm. Ich kann das nicht glauben, da Belo bislang noch durch keinerlei sprachliche Intelligenz aufgefallen ist. Es sei denn, man definiert es als sprachliche Intelligenz, nach sieben Bieren mit der einen Hand ein Bier an der Tischkante zu öffnen und zugleich dem Pizzaservice telefonisch präzise Anweisungen für den Belag der Quattro Stagioni durchzugeben.
Außerdem berücksichtigt keine Untersuchung das mangelnde Orientierungsvermögen der Beifahrerinnen. Damit meine ich Folgendes: Laura entwickelt, wie alle Frauen (zumindest alle, die ich kenne), beim Kartenlesen eine erstaunliche Links-Rechts-Schwäche, die ich in ihrer Ausprägung geradezu als Rinks-Lechts-Schwäche bezeichnen würde. Wer weiß, wie viele Unfälle nur deswegen von Männern verursacht worden sind, weil die Frau auf dem Beifahrersitz »Links! Ich meine rechts! Nein, doch links!« gerufen hat?
Das alles überzeugt Laura nicht. »Ich traue euch Männern nicht. Ihr seid ein permanentes Risiko. Ihr lasst euch ungern überholen. Ihr werdet wirklich böse, wenn euch jemand schneidet. Ihr besteht auf eurer Vorfahrt, auch wenn es dann zum Unfall kommt.«
Sie ist eine kluge Frau. Sie hat Recht. Männer sind am Steuer aggressiv, unbeherrscht und gefährlich. Sie überschätzen sich und ihre Fähigkeiten gnadenlos. |77| Neulich hat Laura auf dem Parkplatz unseres Golfclubs den Fiat des Greenkeepers über den Haufen gefahren. Mit meinem Auto. Seitdem zahle ich 1000 Euro Versicherung mehr im Jahr. Und wer ist schuld daran? Ich. Hätte sie in ihrem eigenen Auto sitzen dürfen, das ich ja unbedingt zum Milchkaufen für Trixi missbrauchen musste, wäre das nicht passiert. Es ist nicht ganz leicht, so eine Diskussion für sich zu entscheiden.
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Die Hochzeit zu Arezzano
I ch hätte es wissen müssen. Ich kann nicht sagen, niemand hätte mich gewarnt. Irgendwann war ich mit Laura auf der ersten italienischen Hochzeit meines Lebens. Danach hätte ich mir denken können, was einst mit mir passieren würde. Ich hätte einen Eindruck davon kriegen können, dass man komplett durchgedreht sein muss, so einen Tag als unmittelbar Beteiligter ohne harte Drogen durchstehen zu wollen. Ich sollte es noch ernsthaft bereuen, keinerlei Erfahrung mit Tranquilizern gemacht zu haben. Und am Tag meiner eigenen Hochzeit war es wohl zu spät, um damit herumzuexperimentieren.
Die Hochzeit fand in einem verträumten Vorort von Turin statt. Der Tag war heiß, der Pfarrer senil. Außerdem spielten zur Zeit des Jawortes auch noch die Blauen 1 im Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Norwegen. Eine Koinzidenz, die, wie mir im Nachhinein schien, Italien auf einen winzigen, entscheidenden |79| Punkt eindampfte, einen Punkt von überragender Strahlkraft. Aber vielleicht war es auch der Rotwein.
Bringen wir Chronologie in die Ereignisse. Die Hochzeit – oder, wie ich sie insgeheim zu nennen begann, mein Menetekel – begann um 17 Uhr. Um 16.30 Uhr, um die Dramatik noch einmal deutlich zu machen, war Anstoß gewesen in einem Spiel zwischen Italien und Norwegen, und in der 11. Minute hatte Christian Vieri ein Tor erzielt. Leo saß gerade, den Turiner Ring mit Höchstschnelligkeit verlassend, im Lancia Delta Integrale und ich saß auf dem Beifahrersitz (es war in meinem Leben die erste Fahrt in einem Lancia Delta Integrale, und der Zustand der italienischen Autobahnen wird in ein paar Jahren meinen Orthopäden sehr glücklich machen); in einem dramatischen Wechsel steuerte er die Standspur an, bremste den Wagen und schrie mich, der verschreckt war, an
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