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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Maiwald
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wenn der nächste Gehaltsscheck noch so entfernt ist wie ein Flug zum Mars.
    Überhaupt muss man feststellen: Italiener zahlen keine vollen Preise. Nirgends. Wenn die Rechnung im Restaurant 61,50   Euro beträgt, dann rundet der Wirt von sich aus ab auf 60.   Selbst in den riesigsten, unpersönlichsten Supermärkten zahlt man nicht 17, 02   Euro, sondern die Kassiererin sagt: »Dai, diciasette.« Schuhe, die mit 165   Euro ausgezeichnet sind, kosten an der Kasse praktisch von selbst 150.   In Deutschland ist das was anderes, aber es liegt sicher auch an mir.
    Wenn ich in München in einer Boutique stehe und die Verkäuferin sehe, die sich hinterm Tresen die Nägel lackiert, obwohl ich erkennbar Hilfe brauche, denke ich mir: »Die arme Frau, sie ist bestimmt alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, der Mann hat sie für eine Jüngere sitzenlassen, und sie hat Mühe, ihre Miete abzustottern.« In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass der armen Frau diese Boutique gehört, außerdem noch drei andere (ebenso viel, wie sie jüngere Liebhaber hat), und dass sie jeden Abend mit ihrem Porsche Boxster in ihre Dachgeschosswohnung rast (als ehemaliger ›Playboy‹-Redakteur bin ich darin geschult, das Wort »Penthouse« zu vermeiden). Laura weiß so etwas; sie hat einen sechsten Sinn dafür, wie weit sie gehen kann. Sie
riecht
, ob der Laden gut läuft oder nicht, und sie
spürt
, bei welchem Preis die Verkäuferin einknicken wird.
    Laura wird auch in den vollsten Restaurants dort wie |69| hier stets zuerst bedient. Ich bin nicht einmal der Erste, wenn bei meinem Eintreffen noch kein einziger anderer Tisch besetzt ist. Dabei bin ich ein exzellenter Kunde, ich trinke große Mengen Bier oder Wein und gebe so viel Trinkgeld, als wäre die Mark nie auf Euro umgestellt worden. Während die, die zuerst bedient werden, drei Stunden lang in ihrem Milchkaffee rühren und passend zahlen.
    Vom Feilschen verstehe ich ungefähr so viel wie von Monatsbeschwerden. Dabei habe ich ja mal in einem Jeansladen gejobbt und gesehen, wie hoch die Gewinnspannen sind. Jeder Laden schlägt noch einmal mindestens das Doppelte auf den Einkaufspreis drauf. Nebenbei: Ich war von 18   Aushilfen der zweitschlechteste Verkäufer. Es ist offenbar so: Nur wer selber gut verkaufen kann, hat die Chuzpe, auch umgekehrt so lange zu jammern, bis er einen Zwanzig-Prozent-Nachlass bekommt.
    Das Rabattgesetz ist zwar gefallen, aber die Mauer in den Köpfen der Verkäufer noch lange nicht. Ein Schuhladen in München, dessen Namen ich nicht nennen will (es handelt sich um den Laden direkt neben dem Taekwondo-Studio in der Hohenzollernstraße 23 mit den spitz zulaufenden Schaufenstern), bekam die volle Wucht meines Verhandlungsgeschicks zu spüren. Ich wollte mir wunderschöne Schuhe kaufen, sie kosteten 220   Euro. Also ging ich zur Kasse und fragte die Verkäuferin: »Wir können sicher über einen Nachlass reden, oder? Zumal das schon das dritte Paar ist, das ich in diesem Jahr hier kaufe.«
    |70| »Nein, wir geben grundsätzlich keine Nachlässe.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Selbst wenn ich hier hundert Paar auf einmal kaufe, kriege ich keinen Nachlass?«
    »Nein.«
    »Nichts zu machen?«
    »Nein.«
    »Gut. Dann lassen wir es sein.«
    »Macht 220   Euro.«
    »Kann ich mit Kreditkarte zahlen?«
    »Natürlich.«
    Aber beim Rausgehen habe ich mich nicht verabschiedet. Das wird denen eine Lehre gewesen sein.

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Runter komme ich immer
    S o ist es wahrscheinlich immer mit Paaren, die in den Winterurlaub fahren. Der eine will atemberaubende Abfahrten, so steil abfallend wie die Ruhmeskurve ehemaliger Kinderstars. Will Gefahr abseits präparierter Pisten, sucht Action und Adrenalin. Der andere bevorzugt Blockhüttenromantik und knisterndes Kaminfeuer, ein romantisches Hideaway mit dicken Daunendecken und Schlemmermenüs in gemütlichen Bauernstuben.
    So ist es auch bei Laura und mir. Allerdings ist die Rollenverteilung untypisch, und das liegt an meiner Herkunft. Ich komme aus Braunschweig. Braunschweig liegt in der niedersächsischen Tiefebene, und der höchste Berg ist der Nussberg. Er ist 93   Meter hoch. Braunschweig selbst ist 75   Meter hoch, was bedeutet, dass der Nussberg sein Haupt stolze 18   Meter über die Stadt reckt. Was bedeutet, dass man in Braunschweig vieles werden kann, aber sicher kein besonders guter Skiläufer. Der Harz ist nicht weit, aber seit dem Klimawandel taucht Schnee dort höchstens grammweise auf – wie in den Taschen von

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