Laura, Leo, Luca und ich
Supermodels.
|72| Laura dagegen verbrachte die Wintermonate stets in Cortina d’Ampezzo. Ihr auf Skiern zuzusehen ist wie Monet beim Malen zuzusehen. Mir auf Skiern zuzusehen ist wie einem Volkshochschulkurs beim Aquarellieren zuzusehen.
Als ich 1995 nach München zog, meldete ich mich zum Anfängerunterricht in Garmisch-Partenkirchen an. Ich wurde in einen Kinderkurs gesteckt: vier Vierjährige und ich. Wenn man mit 25 Jahren das Skifahren lernt, dann ist nicht die Frage, ob man wedeln kann oder nicht. Die Frage ist, ob man den Berg runterkommt, ohne vom ADA C-Rettungsflieger in die Heimat gebracht werden zu müssen.
Ich muss beim Skifahren immer an die Kennedys denken. Wenn Mitglieder dieses Clans nämlich mal nicht erschossen werden oder in Kleinflugzeugen vom Himmel fallen, dann sterben sie auf der Skipiste: Michael Kennedy fuhr frontal gegen einen Baum, während er sich mit seinen Kumpels auf einer schwarzen Piste einen Football zuwarf. Was für ein sinnloses Ende. Ich bin grundsätzlich gegen das Sterben, aber vor allem gegen das Sterben beim Ausüben einer Freizeitbeschäftigung, die der Zerstreuung und Gesundheit dienen soll. Mein Traum vom Winterurlaub sieht also folgendermaßen aus: Ich sitze in einer mahagoniumfassten Hotelbibliothek, mit Strickpulli, karierter Stoffhose und makellos weißen Lammfellboots bekleidet. Ein riesiges Kaminfeuer taucht mein Gesicht in vorteilhaftes Licht; in der linken Hand halte ich einen Islay-Whisky, in der rechten eine Pfeife (ich habe noch |73| nie Pfeife geraucht und auch noch nie Whisky getrunken, aber es passt irgendwie gut ins Bild). Während draußen ein fürchterlicher Schneesturm tobt, unterhalte ich die Hotelgäste aus aller Welt, die gebannt auf meine Lippen starren, mit Anekdoten aus meinem Leben. Ein livrierter Kellner mit britischem Akzent kredenzt Kaviartoasts. Irgendwann löst sich einer aus der Menge, stellt sich als Lektor eines großen New Yorker Verlages vor und bittet mich, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Ich lehne ab und trinke noch einen Whisky.
Lauras Traum vom Winterurlaub sieht so aus: Wir stehen um 6 Uhr auf. Wir sind um 7 die Ersten am Lift. Wir fahren, bis uns (mir) die Beine abfallen. Wir (ich) schleppen uns, vor Erschöpfung taumelnd, ins Hotel. Wir (ich) haben kaum die Kraft, noch etwas zu essen. Traumlos fallen wir (ich) in ein Schlafkoma.
Nach zähen Verhandlungen einigen wir uns immer auf folgenden Kompromiss: Wir stehen um 6 Uhr auf. Wir sind um 7 die Ersten am Lift. Wir fahren, bis wir nicht mehr können. Aber ich darf dafür anfangen, Pfeife zu rauchen.
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Manchmal wäre ich
ungern Fußgänger
L aura beim Autofahren zu erleben ist eine wahre Freude. Schließlich ist sie Italienerin. Sie fährt schnell, hupt, überholt beidseitig und kommuniziert auf drastische Art mit den anderen Verkehrsteilnehmern. Das alles tut sie natürlich,
während
sie per Handy mit einer Freundin spricht und zeitgleich mit mir die Einkaufsliste fürs Abendessen durchgeht.
Wer, wie Laura, das Autofahren auf der berüchtigten Tangente gelernt hat, die um Venedig herumführt, wo täglich Zehntausende altersschwache osteuropäische LKWs, deutsche Familienkombis, holländische Wohn- und italienische Kleinwagen auf zweieinhalb Spuren sich gegenseitig die Hölle heiß machen, der muss es einfach richtig gut können. Außerdem ist Italien ein Land, das nicht nur die Schönheit, sondern auch die Schnelligkeit kultiviert: Ferrari, Lamborghini, Maserati heißen die Eiligen Drei Könige der Straße. Italien mag es zügig. Zu meinem Geburtstag im Jahr 2000 hat Laura zwei Eintrittskarten für den Formel- 1-Grand -Prix |75| von San Marino in Imola organisiert. Was für eine Frau.
Ganz anders aber ist Laura als Beifahrerin. Auf dem Beifahrersitz verwandelt sie sich von Michael Schumacher in Michael Schanze. »Fahr vorsichtig«, »Nicht so schnell«, »Fahr nicht so dicht auf«, »Brems endlich!« Und dabei habe ich noch nicht einmal die Parklücke verlassen. Wie jeder Mann halte auch ich mich für einen guten Autofahrer. Nur kann ich es zudem beweisen. Immerhin habe ich nach dem Abitur ein halbes Jahr lang als Kurierfahrer gejobbt und bin kreuz und quer durch Europa gerast. Wegen meiner verfluchten Flugangst lege ich pro Jahr 35 000 Kilometer zurück, das ist dreimal so viel wie der Durchschnittsdeutsche. Der neapolitanische Berufsverkehr schreckt mich ebenso wenig wie der Pariser Kreisverkehr. Und ich fahre, obwohl ich erst 35 bin, schon seit
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