Laura, Leo, Luca und ich
der ich auch noch im Mittelpunkt stand, eine ernste Gefahr für meine Gesundheit darstellte – mögen die Psychologen unter den Lesern ihre Schlüsse daraus ziehen. Glücklicherweise dürfte ich bei der nächsten kirchlichen Zeremonie, bei der ausschließlich ich im Mittelpunkt stehe, nicht mehr viel mitbekommen. So ein Sarg ist schließlich ziemlich robust gezimmert.
Der Brautvater übergab mir die Braut, und die Worte, die ein Brautvater dem Bräutigam zuraunt, sollen zu den wichtigsten Sätzen gehören, die man im Leben gesagt bekommt. Ich befürchtete das Schlimmste (sollte |90| sich jetzt das gnadenlose, gefürchtete Italien zeigen, welches man aus Hollywood-Filmen kennt?), doch Pepe sagte nur »Mi racommando«, ein schwer übersetzbarer Ausspruch. 2 Ich blinzelte, was er wohl als Zustimmung deutete. In Wirklichkeit war es nur der Schweiß, der schon in meinen Augen brannte. Wer glaubt, ich neige auf diesen Seiten zu Übertreibungen, dem darf ich unseren Hochzeitsfilm ans Herz legen, den ich gern, sofern genügend Anfragen kommen, irgendwo ins Internet stelle. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich am 6. Mai 2002 zwischen 11 und 12.30 Uhr drei Kilo verlor.
Die Zeremonie zog und zog sich in die Länge, mein Herz raste, ich japste nach Luft. Und, ja, ich schwitzte weiter. Ich schien ein anschaulicher Beleg für die These, dass der Mensch zu 70 Prozent aus Wasser besteht. Der Hochzeitsfotograf zwinkerte mir unentwegt zu (ich kann joviale Menschen nicht ausstehen) und deutete immer wieder auf sein Einstecktuch, als Aufforderung, mir doch den Schweiß abzuwischen. Irgendjemand reichte mir dann tatsächlich ein Taschentuch, ich glaube, es war Paolo, der Mann von Lauras Cousine Marta, welche als Trauzeugin fungierte. Der Kirchenchor von Grado legte sich mächtig ins Zeug. Immer |91| wenn ich glaubte, es überstanden zu haben, rollte ein neuer Brecher fünfstrophigen lateinischen Singsangs heran.
Nun ja, ich überlebte die Zeremonie. Wenn auch knapp. Und noch heute laufen mir grabeskalte Schauer über den Rücken bei der Vorstellung, ich wäre damals aus den Latschen gekippt oder hätte mich übergeben müssen. Ich schwör’s: Aus Scham hätte ich das Land verlassen, mir eine neue Identität zugelegt und bei der Fremdenlegion angeheuert – in dem Zutrauen, einen schnellen Tod zu finden.
Das Fest ging in Aquileia weiter, in einem von Pepe restaurierten Landsitz etwa 15 Kilometer von Grado entfernt. Das Wetter blieb traumhaft, man saß draußen, und eine Cateringfirma tischte herrlichste Dinge auf, von denen das Brautpaar natürlich nichts mitkriegt, weil man immer von irgendwelchen Grüppchen umgeben ist, die heulen, einem in die Wange kneifen oder schmutzige Witze über eheliche Treue zum Besten geben. Und natürlich muss man mit jedem anstoßen. Ich war über meine Trinkfestigkeit erstaunt. Als Bräutigam bist du so in Adrenalin getränkt, dass du dir jegliches alkoholische Erzeugnis in jeder beliebigen Reihenfolge reinschütten kannst, und du spürst – nichts. Es ist fast ein Wunder. Als Bräutigam kann man nicht betrunken werden. Was vielleicht, genau betrachtet, auch ein Problem ist.
Denn dann kam der Hochzeitstanz. Ich dachte, ich könnte ihn irgendwie ignorieren, aber die Hoffnung, dass 250 Menschen zugleich eines der wichtigsten Rituale |92| italienischer Eheschließungen vergessen, war wohl arg optimistisch. Durch Rufe wurden wir also aufgefordert, den Reigen zu eröffnen. Ich hatte noch nie eine Tanzschule besucht, aber Laura wusste um dieses kleine Problem und bestellte was Langsames. Also schwoften wir Arm in Arm umher, was mir ein bisschen peinlich war. Aber glücklicherweise stürmten ein paar Tanzbesessene das Karree, Gäste, die nicht lang genug warten konnten, mit ihren motorischen Kenntnissen zu prahlen, und die es auf jeder Festivität gibt. Sie waren mir in diesem Moment sehr sympathisch.
Zum Schluss wurde es noch richtig schön. Ein Anwalt schnappte sich das Mikrofon und sang, die Sterne funkelten, ich hielt Laura im Arm und war doch insgesamt glücklich und vor allem erleichtert. Jemand reichte mir eine Zigarre. Zigarrerauchen lehne ich zwar prinzipiell ab, doch ich zündete sie mir an, denn ich bin dagegen, Prinzipien mit in den späten Abend zu nehmen.
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Die Führerscheinprüfung
I ch will ehrlich zu Ihnen sein: Ich habe mich immer für sehr clever gehalten. Das Rätsel des ›S Z-Magazins ‹ schaffe ich in einer halben Stunde. Bei mehreren I Q-Tests , die ich im
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