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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Maiwald
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Internet absolvierte, kamen Werte heraus, die mich sofort für die Mensa qualifiziert hätten. Klar, hier und da ließ ich mir etwas mehr Zeit als erlaubt, und ein Taschenrechner lag auch immer in der Nähe, aber so dramatisch werden sich ein paar Minuten mehr aufs Gesamtergebnis ja nicht ausgewirkt haben. In der Schule bekam ich stets gute Noten (auch wenn seit jeher sehr in Mode ist, genau das Gegenteil zu behaupten, um sich den Zuhörern anzudienen), was vor allem meiner Fähigkeit geschuldet war, auch in den verfänglichsten Situationen ein interessiertes Gesicht machen zu können. Das brachte mich in den Naturwissenschaften auf solide Dreier, während ich bei Sprachen und Sozialwissenschaften Einsen schrieb und im Abiturjahr sogar im Sport auf eine Eins kam, was die echten Athleten in meiner Klasse mir nie verziehen haben.
    Sie werden am dramaturgischen Aufbau dieses Kapitelanfangs |94| gemerkt haben: Ich hatte ein schockierenes Erlebnis, das mich so zerrüttete, dass ich bis heute ernsthaft an meiner Intelligenz zweifle. Bin ich vielleicht nichts als ein kleines Licht? Ein mäßig begabter, bestenfalls durchschnittlich talentierter Skribent? Ein Mensch, dessen Genie gerade mal ausreicht, in fünf verschiedenen Sprachen ein Glas Bier für sich und den Nebenmann zu bestellen?
    Es begab sich nämlich zu der Zeit des Hochsommers 2004, dass Leo und ich beschlossen, uns ein Boot zuzulegen. Das liegt ja irgendwie nahe auf einer Insel, und nach meinen Schätzungen lagen in den diversen Häfen Grados etwa 3000   Boote – bei knapp 10   000   Einwohnern überschlägig pro Familie eines. Wir studierten eine der 30 monatlich erscheinenden Fachzeitschriften (was will man erwarten in einem Land mit über 7000   Kilometern Küstenlinie?) und staunten. Nein, Leo wusste es schon, aber ich hatte Schwierigkeiten, meinen Mund wieder zu schließen. Winzige Boote, die danach aussahen, dass man die Schöpfkelle besser gleich mitkaufen sollte, kosteten so viel wie eine Zweizimmerwohnung in bester Münchner Lage. Selbst für Schlauchboote mit Außenborder war ein fünfstelliger Euro-Betrag fällig. Ich wusste nicht, wie ich es bewerkstelligen sollte, mir in diesem Leben je etwas Schwimmbares zu leisten. Nach zwei Bieren war der Kauf beschlossen.
    Mit Leo scherzt man in einer solchen Angelegenheit nicht, und vier Wochen später holten wir unsere 4,7 0-Meter -»Yacht« mit 40-P S-Außenbordmotor ab. Es war |95| ganz schön wenig Boot für verrückt viel Geld, aber es ist wohl wie beim Wohneigentum: Manchmal muss man zuschlagen, obwohl einem der Bankberater, die Familie und der Priester davon abraten.
    Ich hatte nur ein Problem: Ich durfte nicht ans Steuer, und das schlägt doch sehr auf die Männlichkeit. »Keine Haare am Sack, aber ’nen Kamm in der Tasche«, pflegt mein Berliner Kumpel Belo in solchen Fällen zu sagen. Oder: »Keine Zähne im Maul, aber La Paloma pfeifen.« (Mit diesen beiden Sätzen kann Belo ganze Abende bestreiten.) Also meldete ich mich bei Giovanni, der von allen nur Nini genannt wird, zum Lehrgang an, um die Motorbootführerscheinprüfung abzulegen. Laura nämlich – die Perfektheit meiner Frau ist richtiggehend anstrengend – hat wie gesagt sämtliche Scheine, die man auf dem Wasser braucht, sowohl für Segel- als auch für Motorboote. Außer Öltanker oder Personenfähren darf sie alles steuern, und zwar quer über die Weltmeere. (Das erinnert mich an meinen geschätzten Opa mütterlicherseits, der bei der Wehrmacht sämtliche Führerscheine machte, die es zu Lande überhaupt zu machen gab, inklusive für so erstaunliche Dinge wie Halbkettenfahrzeuge.)
    Bei Nini, der nebenbei eine Tankstelle für Autos und Boote betreibt und eine Person mit viel Einfluss in Grado ist, saßen wir zu dritt in einer Art Klassenzimmer, welches mit Seekarten geschmückt war und uns die große weite Welt erahnen ließ, die nur eine lästige Prüfung entfernt war. Wer jetzt denkt, in Italien bekäme man mit dem nötigen Kleingeld doch schnell die |96| nötigen Scheine, der denkt wie ich. Aber wie ich denkt er falsch. Nini peitschte uns Positionslichter, Kompassfunktionen, Magnetismus an Bord, Windrichtungen und Notfallfrequenzen ein. Ein interessiertes Gesicht reichte hier leider nicht mehr, ich musste mich zum ersten Mal in meinem Leben ernsthaft mit Winkelberechnungen beschäftigen. Nicht für die Schule, fürs Leben lernt man? Kinder, ich sage euch: Der Lehrer hat Recht.
    Die beiden, die mit mir lernten, waren schon

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