Laura, Leo, Luca und ich
alles durcheinander. Wie immer in einer Partnerschaft hat man nichts mehr für sich selbst. Das Sofa, die Fernbedienung, der Schokoladenpudding: Allgemeinbesitz. Nur beim Kleiderschrank, dachte ich, herrscht gute alte Gütertrennung. Aber Lauras Sachen mäanderten allmählich in meinen Kleiderschrank hinüber. Sie hat, sagte sie, keinen Platz mehr in ihrem.
Vor Gott sind alle Menschen gleich, aber auch vor dem Kleiderschrank: Man greift morgens schlaftrunken hinein und hofft auf gute Beute. Da zusammengelegt und im Halbdunkel alle Sachen etwa gleich groß aussehen, zerriss ich Lauras Lieblingshose, als ich mich nach einer sehr kurzen Nacht sehr schnell anziehen musste. Es war keine Absicht, aber ich dachte, es würde vielleicht unsere Probleme lösen. Das tat es, aber nicht so, wie ich dachte. Laura schaffte sich einen zweiten Kleiderschrank an. Er steht in meinem Arbeitszimmer. Mein Schreibtisch steht jetzt in der Garage. Und ich sitze gerade davor.
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Jetzt hieß es Ja sagen
S echs Jahre nach meinem ersten Rendezvous mit Laura, Leo und Luca wurde es ernst. Laura und ich lebten mehr oder weniger zusammen, ohne verheiratet zu sein, und das konnte ja nicht ewig so weitergehen. Vor allem nicht für Laura. Männer sind von einem gewissen Phlegma. Gäbe es keine Frauen, würden Männer nicht heiraten, sondern nur Unmengen von Kindern zeugen, bis ihr immer eklatanterer Mangel an persönlicher Hygiene sie auf dem Sofa festkleben ließe, wo sie bis ans Ende ihrer Tage Sport schauten.
Es musste geheiratet werden, zumal ja auch Kinder auf die Welt gebracht werden wollten, was ausschließlich mit Trauschein passieren durfte. 1 Laura (so hatte ich sie zumindest im Verdacht) hatte schon am Tag unseres ersten Kennenlernens an ihr Hochzeitskleid gedacht, und die Gedanken, die sie an diesen Tag verschwendete, waren so intensiv, dass man vom Kalorienverbrauch her eine Kleinstadt ein paar Monate |88| lang mit Strom hätte versorgen können. Ich will gar nicht näher auf die Einzelheiten des Brautkleidfindens, Geschenkelisteimporzellanladenhinterlegens, Sitzordnungerstellens, Politischgenehmeinladens und Trauzeugenaussuchens eingehen, da ich einfach mal annehme, dass es sich in Deutschland ähnlich kompliziert verhält, wenn auch vielleicht in der Intensität ein paar Potenzen geringer. Auch will ich die bürokratischen Schwierigkeiten unerwähnt lassen, die sich nicht nur aus meinem Deutschsein, sondern auch aus meiner Zugehörigkeit zur evangelisch-lutherischen Kirche ergaben. Steigen wir stattdessen direkt ein in den Tag unserer Hochzeit, einen 6. Mai. Bis in den Nachmittag des 5. Mai hinein hatte es heftig geregnet, und ich, der ich wie im Dämmerzustand die Tage bis zur Hochzeit verbrachte (ich glaube, ich schaltete auf eine Art inneren Autopiloten), machte eine dieser törichten Abmachungen mit Gott, indem ich ihn anflehte, er möge doch bitte die Sonne scheinen lassen, dafür könne er gern sämtliche künftige Urlaube mit Schlechtwetter vermiesen.
Tatsächlich schien am nächsten Tag die Sonne, und wie. Ein prima Tag, um den Blutdruck in den Keller rauschen zu lassen. Wir heirateten um 11 Uhr in der Basilika von Grado, in der seit dem Jahr 579 Gebete gen Himmel geschickt werden (die in der Mehrzahl vermutlich ernstere Anliegen hatten als meine hilflose »Zwiesprache« mit dem Herrn). In der Kirche war es heiß. Sehr heiß. Dazu wurde der Bereich rund um den Altar für die Videoaufzeichnung noch mit diabolischen |89| Filmscheinwerfern ausgeleuchtet. Mir lief der Schweiß in Strömen runter. Gut, es mag auch etwas Nervosität dabei gewesen sein, und es hat sicher auch nicht geholfen, dass Laura sich eine halbe Stunde verspätete, weil wichtige Freunde aus Mailand im Stau standen und per Handy eindringlich baten, noch etwas zu warten, weil man den Einzug der Braut nicht missen wollte. Da stand ich also und zerfloss, die Kirche war restlos gefüllt (sie ist ja auch nicht groß, aber 500 Menschen werden es schon gewesen sein). Auf den Fotos hinterher stellte ich fest, dass viele der Italiener in der düsteren Basilika die Sonnenbrille gar nicht abgenommen hatten. Vielleicht hätte mir das auch geholfen. Dann kam die Braut, und ich war wortwörtlich kurz vor einer Ohnmacht. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und dachte mir nur: »Wenn du jetzt umfällst, kannst du dich auch gleich erschießen«, was nicht gerade half. Jegliche Zeremonien sind mir zutiefst zuwider, und ich stellte fest, dass die, bei
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