Laura, Leo, Luca und ich
schlagen: Sie flanieren von diesem zu jenem und haben weder Hemmungen noch irgendein schlechtes Gewissen, mit breitem Lächeln zum Nächsten zu gehen. Golf war das Thema des Tages. Nacheinander wurde ich, damals noch Anfänger, in drei Golfteams aufgenommen, denn der Italiener, der Individualist, liebt das Golfen in der Gruppe, weil er bei aller Einzigkeit doch ungern vier Stunden lang alleine ist, sondern vielmehr den kommunikativen Charakter des Sports begreift und schätzt.
Durch Flügeltüren ging es in den Garten. Und dort offenbarte sich nun wirklich Hollywood, mit Weichzeichner und in Superzeitlupe im Sonnenlicht gedreht: Fröhliche Menschen sprangen über fettgrüne Wiesen, |83| dicke Daunenkissen lagen einfach so im Gras; livrierte Kellner liefen mit Champagner umher. Mit der Anzahl der Menschen hätte man eine Kurve eines WMtauglichen Fußballstadions füllen können. Bald darauf verlor ich das Bewusstsein, denn wenn man mir alle zwei Minuten ein neues Glas bringt, dann soll man sich bitte nicht wundern, dass ich auch irgendwann die Waffen strecke. Verschwommen nahm ich wahr, wie die Gesten des Brautpaars immer mechanischer wurden. Das muss man sich ja mal vorstellen: acht Stunden lang im Mittelpunkt eines Champagnerbades. Menschen mit glasigen Augen, die einem acht Stunden lang Kalendersprüche mit auf den Lebensweg geben. Höchste Erwartungen an dich und dein Auftreten gegenüber den neuen Verwandten, die immerhin die Hälfte des Festes ausmachen. Es gibt einfachere Tage.
Irgendwann später: ein voluminöses, nicht enden wollendes Menü, ein gigantisches Feuerwerk, eine Art Stripteasetanz des völlig fertigen Brautpaars. Warum hatte ich die Zeichen nicht erkannt? Die Uhr tickte. Gegen mich.
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Meine Ordnungspolitik
A ls ich von daheim auszog, um das Abenteuer Leben fortan ohne selbst gemachten Napfkuchen von Mutti zu bestehen, hatte ich in meiner ersten Wohnung als Kleiderschrank eine Art Apfelsinenkiste. Das musste reichen, dachte ich, denn wir Männer haben den Archetypen des mit dem Seesack um die Welt ziehenden Kerls vor unserem inneren Auge – einen harten Burschen, der sich einen Dreck schert um Bügelfalten oder gewisse fundamentale Hygienemaßstäbe. Schnell musste ich feststellen, dass ein Leben aus dem Seesack (oder aus der Apfelsinenkiste) mich von vielen Annehmlichkeiten des modernen Lebens ausschloss, insbesondere von
einem Platz in einem Restaurant, in dem man mit Besteck isst;
dem Bedientwerden in einem Geschäft, in dem es mehr gibt als Tabak für Zigaretten zum Selberdrehen;
dem Kennenlernen wirklich hübscher Frauen.
|85| Knittrige Hemden und faltige Jeans, das merkte ich schnell, machten aus mir keinen coolen Mann von Welt, der auch in einem Davidoff- oder Bacardi-Werbespot auftreten könnte. Sondern einen, der in den Augen der anderen schnell zu jemandem ziehen sollte, der eine Waschmaschine und ein leistungsfähiges Bügeleisen besitzt – am besten also zurück zu Mutti.
Ich lernte meine Lektion. Ich lege nicht unbedingt viel Wert auf die neueste Mode, und ich konnte mich einigen Strömungen erfolgreich verweigern ( T-Shirts mit lustigen Sätzen. Tattoos. Neuen Lederjacken, die man an die Stoßstange seines Autos bindet und dann über einen Schotterweg rast, um sie clever abzunutzen). Aber mein Kleiderschrank ist jetzt groß und geordnet, und die Kleiderbügel aus dünnem Draht sind längst gegen hölzerne ausgetauscht worden. Der Kleiderschrank war mal mein Feind. Jetzt ist er mein Kumpel.
Ordnungspolitisch gesprochen, bin ich solides Mittelfeld. Die wenigen Männer, denen ich in den Kleiderschrank schauen konnte, sind entweder katastrophal unordentlich oder manisch besessen. Einer hat sogar seine Socken farblich geordnet: eine Schublade für schwarz, eine für blau, eine für bunt, eine für Sportsocken. Hat er etwa Angst, eines Morgens aufzuwachen und über Nacht farbenblind geworden zu sein? Ein Blick in den Kleiderschrank sagt viel über den Charakter eines Mannes aus. Wer zu wenig Wert auf Ordnung legt, hat keinen Respekt vor seinen Anschaffungen und seinem sauer verdienten Geld. Wer sogar |86| die Socken bügelt, legt beim Sex ein Frotteehandtuch unter.
Mein Kleiderschrank und ich, das ist eine solide, unverzickte Freundschaft. Ich würde sogar mit ihm ein Bier trinken gehen, wenn er etwas flexibler wäre, und so harmonisch könnte alles enden. Doch dann kommt die ewig gleiche Geschichte: Frau trifft Mann, Frau küsst Mann, Frau zieht bei Mann ein, Frau wirbelt
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