Laura, Leo, Luca und ich
man mit einem Zahnstocher spielen. Das Handy hat der Telekommunikation jeden besonderen Moment genommen, jeden Reiz und jeden Zauber. In den Fünfzigerjahren, als die Telefone die privaten Haushalte erreichten, nahm die Hausfrau, wenn es klingelte, noch die Schürze ab und richtete sich die Frisur, bevor sie zum Hörer griff. Wenn das Handy heute klingelt, nimmt man nicht mal mehr die Zigarette aus dem Mundwinkel.
Mir geht mein Handy, das nur hierzulande so heißt (im Englischen heißt es
mobile
oder
cell phone
, im Italienischen verniedlichend
telefonino
), auf den Keks. Simsen dagegen, das macht Spaß, und man kriegt alles Wesentliche |124| gesagt. Man hat ja nur 160 Zeichen, das ist eine sinnvolle Beschränkung. Schade, dass dieses Limit nicht auch für Gespräche gilt: Nach 160 Wörtern wäre automatisch Schluss.
Die berühmteste SMS der neueren deutschen Geschichte lautete: »Ich habe dich gern, aber ich habe es mir noch mal überlegt. Es geht nicht, ich wünsche dir alles Gute.« 101 Zeichen, klar und kompakt. Damit machte ein Model namens Nadja Abd el Farrag mit einem Komponisten namens Ralph Siegel Schluss, und dafür wurde das Model böse angegangen. Ich finde, sie hat alles richtig gemacht: Was hätte es sonst noch groß zu sagen gegeben? Das ewige Problemausgequatsche ist eine Erfindung der Siebzigerjahre und sollte allmählich mal vergessen werden, so wie die Hits von Boney M. Dass ausgerechnet eine Frau auf diese Art eine Beziehung beendet, zeigt, wie erfolgreich sich traditionelle Männer- und Frauenrollen auflösen. Glückwunsch, Nadja!
Was mich an Laura verwundert: Sie sagt nie »Ich rufe gleich zurück«, selbst nicht in brenzligen Situationen oder an der Supermarktkasse. Für mich gibt es nichts Peinlicheres, als in der Schlange an der Supermarktkasse ein Handy zu benutzen, denn ich weiß: Jeder hört mir zu, und meist ist das Gequatsche ja auch elendig banal. Dieses Problem stellt sich für Laura nicht. Nicht nur deswegen, weil sie hart im Nehmen ist. Sondern auch deswegen, weil in Italien die Hälfte der Supermarktkassenschlange ebenfalls telefoniert. Inklusive der Kassiererin.
|125|
Für Besseresser
U nternehmen wir einen kleinen Ausflug in die Gastronomie. Vor dreißig Jahren gab es in Deutschland praktisch keine Restaurants, sondern nur Landgasthöfe mit Hirschgeweihen an der Wand, Dorfkneipen mit Tagesgericht und angeschlossener Kegelbahn, ein paar exotische Pizzabäcker und Gyros-Abfütterstationen (»Noch einen Ouzo aufs Haus?«). Dann kam Eckart Witzigmann und brachte den Deutschen das Essen bei. Wir sind eine spätgeborene Gourmetnation. Und genau da liegt das Problem.
Wir versuchen uns verzweifelt anzueignen, was Italiener und Franzosen schon seit Generationen genießen: die sinnliche Erfahrung eines guten Essens. Aber wer Dinge aufholen will, der schießt meist übers Ziel hinaus. Und besonders schlimm machen das die Männer, denn Frauen haben ein natürlicheres Verhältnis zum Essen (wenn sie es nicht umgehend in der Toilette verschwinden lassen, was offenbar ein immer größeres Problem wird).
Vor ein paar Jahren noch saßen Männer rülpsend am Tisch und schneuzten in die Stoffserviette. Einen Cabernet |126| hielten sie für ein Möbelstück, ein Amuse-Gueule für eine aufregende Sexualtechnik. Doch jetzt belästigen sie die Bedienungen mit Fragen wie: »Enthält die Minestrone nicht zwei Gramm Oregano zu viel?« oder »Dieses Oktopus-Carpaccio ist vorzüglich. Lassen Sie mich raten: Zitrone, Knoblauch und Aceto Balsamico, richtig?«
Ein Mann mit einer Weinkarte sieht oft noch ähnlich hilflos aus wie eine Frau mit einer Schlagbohrmaschine – beide wissen nicht einmal, wie man das Ding richtig hält. Diese Männer überspielen die Hilflosigkeit damit, dass sie laut und entschlossen irgendeinen teuren Wein ordern (in 95 Prozent der Fälle einen Chardonnay). Dabei wäre es sehr einfach. Laura macht das so: Sie sagt, was sie zu essen gedenkt, und lässt sich dazu einen passenden Wein vorschlagen. Das ist souverän.
Doch jetzt bevölkern immer mehr Deutsche die Restaurants, die schon beim ersten Schluck erkannt haben wollen, dass es sich bei dem Wein um einen 1973er Merlot aus der südwestlichen Rhône-Region handelt, mit starker Nase und wenig Tannin, etwas zu stark im Barrique aus handgebeizter Eiche ausgebaut, und natürlich tun sie ihre Meinung laut kund. Tolle Kerle, oder? Lassen Sie mich Folgendes fragen: Würden Sie bei einer Dinnerparty gern neben so
Weitere Kostenlose Bücher