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Laura, Leo, Luca und ich

Laura, Leo, Luca und ich

Titel: Laura, Leo, Luca und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Maiwald
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Steuererklärung, Wasserrohrbruch und fünf Kilo Übergewicht wie aus einer anderen Galaxie scheinen. Aber soll ich mich in der Pinakothek der Moderne in München vier Stunden anstellen, um drei Stunden Ruhe zu haben? Ich war zwar nie gut in Mathe, aber ich behaupte mal kühn: Die Rechnung geht nicht auf.
    Im September haben Laura und ich mit Paolo und |120| Marta ein paar Tage in Florenz verbracht. Das war ein Fehler, denn es herrschten Jahrhundertsommertemperaturen, und selbst eine der schönsten Städte der Welt fängt bei 42   Grad an zu müffeln. Jedenfalls hatte ich mir vorgenommen, die Uffizien zu sehen, die eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt beherbergen. Als wir dort am Morgen ankamen, hatte sich die Schlange bereits um zwei Häuserblöcke gewickelt. Als wir am späten Vormittag erneut vorbeikamen, hatte sich die Schlange mit dem gesamten florentinischen Stadtzentrum vereint. Menschen, die sich zu sehr in ihre Nähe wagten, wurden regelrecht aufgesogen. Ich könnte schwören, dass sogar ein Blumenstand, der zufällig in der Nähe war, einfach mitgeschleift wurde.
    Sind Botticelli, Michelangelo und Tizian es wert, dass man sich fünf Stunden für sie anstellt? Die Antwort lautet: Natürlich sind sie das. Aber ich gehe lieber in eine Bar um die Ecke und trinke einen Kaffee. Deswegen habe ich auch nie den Louvre geschweige denn die Mona Lisa gesehen, oder, wo ich schon mal dort war, Paris von oben, denn auch vor den Aufzügen des Eiffelturms stand halb Japan.
    Ich weiß, dass Michelangelo mir gut tun würde, so wie ich weiß, dass mir Rote Bete oder eine eiskalte Dusche am Morgen gut tun würden. Trotzdem kriege ich lieber einmal pro Jahr eine Erkältung, als dieses Höllengemüse runterzuwürgen oder mir schon vor dem Frühstück den Morgen zu verderben.
    Frauen haben einen pragmatischeren Zugang zu Schlangen. Laura plaudert höflich mit der Dame vor |121| ihr und dem Ehepaar im Rücken und lobt den Zahnwuchs des Kleinen, dessen Wassereis gerade auf meine hellen Lederschuhe tropft. Ich kann bei solchen Unterhaltungen nicht mitmachen, denn ich denke bloß
:
»Was wollen diese Menschen hier? Haben die kein Zuhause?« Vor allem aber kann Laura mit der Situation auf die italienische Art umgehen: nämlich lächelnd an der Schlange vorbeizuschweben. Und wie durch ein Wunder den Burschen an der Kasse zu kennen, der für die Tickets zuständig ist. So funktioniert das südlich der Alpen. Ich bin mir sicher: In der DDR hätte sie mir jeden Tag meine Banane herbeigezaubert.

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Ihr ständiger Begleiter:
Ich bin’s nicht
    M anchmal denke ich, dass Laura Schmerzen am Ohr haben muss. Sie verlangsamt ihre Schritte, ich stehe schon mit dem Kinderwagen an der nächsten Ecke und blicke mich sorgenvoll um, doch dann sehe ich, was los ist: Sie hat jemanden angerufen. Oder sie wurde angerufen. Für die nächsten zehn Minuten habe ich sie verloren. Nicht, dass sie nur telefonieren könnte. Nein, nebenbei kann sie auch noch Windeln wechseln, zwei Chinotto bestellen und ihr Auto in eine Parklücke rammen. Aber die Kommunikation mit ihr gestaltet sich schwierig, wenn sich Silvana gewissermaßen per Satellit zwischen uns schiebt und über ihren Alessandro und die unbotmäßige Hitze in Turin klagt.
    Laura ist eine Frau, und Laura ist eine Italienerin – das ist Telefonieren in Potenz. Jeden Tag wird von jedem Winkel dieser Welt jedes Mitglied der Familie angerufen. Ich verstehe nicht, wie es so viele Dinge zu sagen geben kann. Ehrlich: Jeder Italiener und jede Italienerin, die ich kenne, telefonieren einmal am Tag mit |123| den Eltern. Einmal am Tag! Bei mir gab es Zeiten, da war einmal im Jahr eine übliche Frequenz. Italiener telefonieren auch dann täglich mit ihren Eltern, wenn sie noch zuhause leben! Obwohl ich die Sprache leidlich verstehe, ist es mir unbegreiflich, was es da alles zu erzählen gibt. Andererseits haben Italiener die Gabe, aus jeder Kleinigkeit eine große Sache zu machen, wie jeder weiß, der schon einmal eine intensive Unterhaltung zwischen zwei älteren Herren in einer Bar verfolgt hat. Sie schreien sich an, sie fluchen, sie schlagen einander mit der flachen Hand auf die Brust, sie lachen, sie jubeln, sie schlagen die Hände über den Köpfen zusammen, und manchmal kriegt einer von ihnen vor Aufregung Nasenbluten. Das Thema? Was es heute daheim zu essen gibt.
    Das Verblüffende am Handy ist die Beiläufigkeit, mit der es inzwischen benutzt wird: Man telefoniert so ganz nebenbei, als würde

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