Laura - Venezianisches Maskenspiel
ihrer Wünsche hatte Laura begreifen müssen, dass die raue Wirklichkeit nichts mit ihren Träumen zu tun hatte. Sie war in der Begleitung von Sofia, einer entfernten Cousine der Familie ihres Bräutigams, hier gewesen, als das junge Mädchen sie auf eine strahlende Schönheit aufmerksam machte, die wie eine Königin einherschritt, umgeben von mehreren Verehrern, die sich um sie scharten, sie hofierten und mit Liebenswürdigkeiten überschütteten. Laura hatte diese Schönheit während der Messe von Ferne bestaunt, bis Sofia ihr zugeflüstert hatte, dass eben diese Frau Domenicos Mätresse wäre. Und nicht nur seine Mätresse, sondern auch gleichzeitig seine große Liebe, die er nur deshalb nicht zu seiner Gattin hatte machen können, weil es unmöglich war, dass ein Patrizier, dessen Namen schon seit vielen Generationen im Goldenen Buch der venezianischen Adelsfamilien verzeichnet war, die Tochter einfacher Eltern heiratete.
Laura war wie vom Schlag gerührt gewesen, und sie wusste bis heute nicht, wie sie es geschafft hatte, ein gleichmütiges Gesicht aufzusetzen, zumal diese Sofia auch noch einige sehr treffende und schmerzhafte Bemerkungen über sie selbst hinzugefügt hatte. Zuckersüß verbrämte Bemerkungen, die sich hinter einem Lächeln verbargen, die sie jedoch zutiefst gedemütigt hatten. Noch jetzt fühlte sie deutlich das Gefühl der Beschämung, als ihr der Unterschied zwischen der schönen Nicoletta Martinelli und ihr selbst zu Bewusstsein gekommen war. In diesen Minuten war ihr klar gemacht worden, dass die Ehe ihrem zukünftigen Mann nur einen Vorwand bot, weiterhin seinen eigenen Vergnügungen nachgehen zu können, und sie hatte erkannt, dass sie bei Domenico Ferrante nichts von dem finden würde, was sie sich in diesen engen Klostermauern, in denen sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hatte, erträumt hatte. Keine große Liebe, keine Romantik und keine Leidenschaft. Nur einen Mann, der die Augen verdrehte, als sie versucht hatte ihm zu sagen, dass sie seine Liebe wollte.
Laura presste die Lippen aufeinander. Ausgerechnet diese Frau musste jetzt hier anwesend sein und den Zauber stören. Ob Domenico ihre Hand ebenfalls so gehalten und geküsst hatte wie er das jetzt tat? Ein kleiner Schauder überlief sie, als sie jetzt seine Lippen fühlte, die sich zart auf ihre Handinnenfläche drückten.
Er bemerkte Lauras angespannten Ausdruck und sah sich um. Nicoletta hatte jedoch schon längst die Maske wieder aufgesetzt, sich umgedreht und war in der Schar ihrer Verehrer verschwunden.
„Wir sollten jetzt gehen“, flüsterte Laura. Sie brachte ein zittriges Lächeln zustande. Einerseits triumphierte sie, dass die Rivalin Domenico dabei gesehen hatte, wie er seiner Frau die Hand küsste – noch dazu auf diese sehr intime Art – und andererseits hatte sich die Helligkeit dieses Tages für sie ein wenig getrübt. Warum nur immer diese Frau? Warum musste sie genau dann auftauchen, wenn Laura die Hoffnung hatte, glücklich sein zu können?
Domenico lächelte sie ebenfalls an. Es war nicht das flüchtige oder ironische Lächeln, das sie sonst kannte, sondern warm und liebevoll. Er drückte ihre Hand, dann streifte er den Muff wieder fürsorglich darüber und nahm ihren Arm.
* * *
Auf dem Heimweg konnte Domenico keinen Blick von seiner Frau lassen. Sie hatte tatsächlich Eigenschaften an sich, die ihm bisher nicht bewusst geworden waren. Als sie diese ineinander verschlungenen Kreise betrachtet und ihm ihre Bedeutung erklärt hatte, hatte sich ihr Gesicht verändert. Das Lächeln war so warm und innig geworden, sehnsüchtig – so sehnsüchtig wie seine Gefühle für sie.
Die letztere Erkenntnis überraschte ihn.
Er hatte Laura als ein so vollkommen anderes Wesen kennengelernt, nicht zu vergleichen mit diesem verschreckten und widerspenstigen Geschöpf, das er damals als seine Braut heimgeführt hatte. Was hatte diese Frau nur an sich, dass er plötzlich nicht genug von ihr bekommen konnte? Er war wie besessen von ihr und ihrem Körper und hatte sich bei ihrem geheimen Zusammensein vor einer Woche förmlich darin verloren. Eine Woche, die ihm endlos lang erschienen war, weil das Verlangen nach ihr mit jedem Tag stärker und unerträglicher geworden war.
Eine Woche, in der er keinen Brief mehr geschickt hatte, um sie zu ihrem geheimen Liebesnest zu bestellen. Er musste erst nachdenken. Dieses Spiel gefiel ihm zwar, reizte ihn. Vielleicht sogar etwas zu sehr. Es war erregend, sich heimlich mit der
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