Lauras Liebhaber
Ahnung, er ist irgendwann einfach verschwunden. Kurz, nachdem die Gerüchte über die Sexparty aufkamen, war er von einem auf den anderen Tag einfach untergetaucht. Selbst seine engsten Freunde wussten nicht, wo er abgeblieben war. Erst hieß es, er würde einen Entzug machen, dann war es plötzlich ein tödlicher Autounfall – eigentlich aber wusste niemand irgendwas Konkretes, und seine Familie wollte sich nicht äußern.«
»Das ist ja eine traurige Geschichte. Irgendwie.«
Chloe zuckte mit den Schultern. »Ich weiß noch nicht einmal, ob irgendwas davon stimmt. Aber wenn Robert eine Einladung zu der Party hat, wird wohl zumindest der Teil stimmen, oder nicht?«
Laura verschränkte die Arme vor der Brust. »Trotzdem finde ich es dreist, dass Robert einfach voraussetzt, dass ich auf diese Party gehen will.«
»Willst du denn etwa nicht?«
»Doch, natürlich – aber es geht ums Prinzip!« Als Laura hörte, wie das klang, musste sie selbst lachen.
Chloe sah sie an, klimperte übertrieben mit den Wimpern und meinte mit süßlicher Stimme: »Robert verlässt sich bestimmt darauf, dass ich dich sowieso überrede.«
13.
»Alles klar?«, fragte Chloe zum wiederholten Male.
»Wie oft willst du das denn noch fragen? Ich glaube bald, du bist nervöser als ich«, erwiderte Laura.
»Das meinst du nur. Außerdem frage ich bloß, weil du ganz schön blass um die Nase bist. Du musst das nicht machen.«
Laura winkte ab, straffte die Schultern und betrat das Hotel, zu dem das Taxi sie gebracht hatte. Sie musste sich kurz orientieren, steuerte dann nach rechts in das zum Hotel gehörende Restaurant. Chloe deutete auf einen Tisch, an dem ein Mann allein saß. Je näher sie kamen, desto schneller schlug Lauras Herz, und desto mehr Details konnte sie erkennen. Chloe hatte ihr erzählt, dass ihr Kunde Tobias hieß, alle paar Monate immer nur kurz geschäftlich in der Stadt und sehr umgänglich war. Bei der Frage nach seinem Äußeren hatte Chloe nur mit den Schultern gezuckt und »gepflegt« geantwortet. Mehr war ihr nicht zu entlocken gewesen.
Als Tobias sah, dass die beiden Damen auf ihn zukamen, erhob er sich und zog die beiden leeren Stühle am Tisch zurück. Chloe ging nun vor und streckte die Arme aus, Tobias ergriff sie, ließ sich von Chloe auf beide Wangen küssen. »Hallo Emily, schön, dich mal wieder zu treffen.« Dann streckte er die Hand aus, Laura ergriff sie und hauchte ebenfalls zwei Küsse auf seine Wangen. »Und du musst Claire sein.«
Chloe hatte Laura vorher instruiert, auch einen anderen Namen zu verwenden. Sie nahmen Platz und machten den üblichen Small Talk, bis die Karte gebracht wurde. Während sie bestellten, nahm sich Laura einen Moment Zeit und musterte Tobias. Er mochte Ende vierzig, Anfang fünfzig sein, trieb auf jeden Fall Sport und war ordentlich rasiert.
Obwohl Chloe ihr mehrfach versichert hatte, dass ihre Preisklasse eine bestimmte Klientel anzog, hatte Laura trotzdem die unbegründete Angst gehabt, dass ein ungepflegter Sozialfall in dem Restaurant auf sie warten könnte. Nun, da sie erkannt hatte, dass dem nicht so war, begann sie tatsächlich, sich ein wenig zu entspannen.
Sie plauderten ruhig und gelassen über verschiedene Themen, und als der Hauptgang gebracht wurde, waren sie in eine lebhafte Diskussion über Literatur vertieft. Erstaunlicherweise teilte Laura die Ansicht von Tobias und nicht die von Chloe. Sie bemerkte, dass sie eine gute Zeit hatte. Vorher hatte sie Chloe beklommen gefragt, worüber sie denn am Tisch so reden sollten, und Chloe hatte gelassen geantwortet: »Ach, Sexspielzeug, Fesselspiele, Fetische, du weißt schon, das übliche Zeug.«
Laura hatte einen Augenblick gebraucht, um festzustellen, dass diese sie natürlich aufzog.
»Meine Güte, Laura! Entspann dich! Das Essen wird sein wie das eine Mal, als wir bei Jane waren – eine ganz normale Konversation.«
Nach dem Essen erhoben sie sich, und während Tobias an der Rezeption den Schlüssel holte, raunte Chloe Laura leise zu: »Letzte Chance zu verschwinden.« Doch Laura hakte sich nur lächelnd bei ihr ein; sie würde das schon hinbekommen.
Die beiden folgten Tobias zu einem Zimmer im zweiten Stock. Er ließ ihnen höflich den Vortritt, hängte das Bitte nicht stören -Schild an die Klinke und schloss die Tür hinter ihnen.
Chloe steuerte sofort den kleinen Sekretär an und stellte ihre Tasche ab. Während Tobias schon mit einer Hand seine Krawatte lockerte, reichte er Chloe einen Umschlag –
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