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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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nicht einen Augenblick philosophieren; denn mochte geschehen sein was wollte, die Tatsache war die: dass statt des kalten Phlegma und der genauen Regelmäßigkeit von Geist und Gemüt, wie man sie an einem Mann solcher Abstammung finden sollte, er im Gegenteil von einem so leichtflüssigen und fein geläuterten Wesen, von einem in allen seinen Neigungen so absonderlichen Charakter, so erregt und possig und so voll gaité de coeur war, wie ihn nur das allerfreundlichste Klima schaffen und zusammen bringen konnte.
    Bei all diesem Segelwerk führte der arme Yorick nicht ein Lot Ballast bei sich; er war durchaus unbekannt in der Welt, und mit 26 Jahren wusste er gerade nur so viel davon, wie er seinen Kurs in derselben zu steuern habe, wie ein argloses Mädchen von dreizehn, das sich im Spiele herumbalgt; so dass ihn wie man sich denken kann, gleich bei seiner ersten Ausfahrt der lebhafte Wind seines Geistes zehn Mal im Tage in das Takelwerk eines Andern trieb; und da, wie man sich gleichfalls leicht denken kann, gerade die ernsteren und bedächtigeren ihm am öftesten in den Weg kamen, so hatte er in der Regel das Missgeschick mit diesen sich am meisten zu verstricken.
    Indessen mochte jedem solchem Zusammenstoß auch eine Beimischung von schlechtem Witze mit zu Grunde liegen, denn offen gestanden, hatte Yorick einen unüberwindlichen Widerwillen gegen die Gravität, seine ganze Natur lehnte sich dawider auf; das heißt nicht gegen den Ernst an sich, denn wo der Ernst wirklich am Platze war, da war er gewiss Tage und Wochen lang der ernsthafteste, gesetzteste Mann von der Welt; aber er konnte es nicht leiden, wenn man nur die Maske des Ernstes vornahm und dieser Unsitte erklärte er offen den Krieg, da er in ihr nur eine Bemäntelung der Unwissenheit oder Albernheit erblickte; wenn diese ihm aber in den Weg kam, so gab er ihr selten Pardon, mochte sie nun noch so sehr verschanzt und gedeckt sein.
    In seiner extravaganten Art sich auszudrücken, pflegte er bisweilen zu sagen, die Gravität sei eine Erzspitzbübin und zwar, pflegte er hinzusetzen, von der aller gefährlichsten Art, weil sie zugleich schlau sei, und er glaube wirklich, es werden durch sie in einem Jahre mehr ehrliche wohlmeinende Leute um Hab und Gut geprellt, als durch Taschen- und Ladendiebe in sieben. In der offenen Laune eines heiteren Gemüts, pflegte er zu sagen, liege nichts Gefährliches, höchstens für dieses selbst; dagegen sei das eigentliche Wesen der Gravität Absichtlichkeit, und somit Betrug; es sei ein wohl überlegter Kunstgriff, um von der Welt für klüger und gebildeter angesehen zu werden, als man eigentlich sei. Bei all ihren Ansprüchen aber sei sie doch nicht mehr, wohl aber oft weniger als wie sie ein französisches Witzwort schon vor langer Zeit bezeichnet habe, nämlich: ein geheimnisvolles Gehaben des Leibes, um die Mängel des Gemüts zu verdecken – welche Definition der Gravität, wie Yorick höchst unklug hinzuzusetzen pflegte, man in goldenen Lettern setzen sollte.
    Er war aber wirklich in der Welt ganz unerfahren und ungewohnt; und auch bei jedem anderen Gegenstand der Unterhaltung, wo die Klugheit Zurückhaltung gebietet, ebenso unbesonnen und närrisch. Yorick besaß nur eine Art Eindruck, den nämlich der für ihn aus der Natur der besprochenen Sache hervorging; und diesen Eindruck übersetzte er gewöhnlich in gutes Englisch ohne alle Umschreibung, und nur zu oft, ohne auf Person, Zeit oder Ort die mindeste Rücksicht zu nehmen; so dass wenn die Rede auf eine niederträchtige oder unedle Handlung kam, er sich nie auch nur einen Augenblick Zeit nahm, zu überlegen, wer der Held des Stückes, welches seine gesellschaftliche Stellung sei, oder in wie weit derselbe die Macht besitze, es ihm nachher einzutränken – sondern wenn es eine schmutzige Handlung war – ohne Umschweif aussprach: Der Mensch sei ein schmutziger Bursche – und sofort. Und da seine Aussprüche gewöhnlich das Missgeschick hatten, entweder mit einem Witz zu schließen oder durch irgend einen drolligen, humoristischen Ausdruck gewürzt zu sein, so bekam Yoricks Unbesonnenheit hierdurch Schwingen. Mit einem Wort, er suchte zwar nie einen Anlass, ließ aber auch selten eine Gelegenheit vorübergehen etwas herauszusagen, was ihm gerade auf der Zunge lag, und zwar ohne lange Umstände, und fand so nur zu viele Versuchungen im Leben, seinen Witz und Humor, seine Späße und Possen los zu lassen. Sie gingen nicht verloren, denn es gab immer Leute, die

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