Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
welches seine wahren Anschauungen, Gesinnungen und Grundsätze sind. Was ich, wie ich hoffe, in allen diesen Richtungen gewesen bin, Bruder Toby, ziemt sich nicht für mich auszusprechen; – ich weiß, ich war weit schlimmer als ich hätte sein sollen, – und vielleicht noch etwas schlimmer als ich glaube; aber so wie ich bin, wirst du, mein lieber Bruder Shandy, der du an derselben Brust mit mir gelegen hast, – mit dem ich von der Wiege an aufgezogen worden bin, – und vor dem ich von den ersten Stunden unserer jugendlichen Vergnügungen bis heute keine Handlung meines Lebens und kaum einen Gedanken in demselben verheimlicht habe, – so sage ich, wie ich bin, wirst du mich jetzt mit all meinen Fehlern und Schwächen kennen, entspringen sie nun meinem Alter, meiner Gemütsart, meinen Leidenschaften oder meinem Verstand.
    Sag mir nun, mein lieber Bruder Shandy, welcher dieser Momente gab den Grund ab, dass du, als ich den Frieden von Utrecht verdammte und es bedauerte, dass der Krieg nicht mit Energie noch etwas weiter fortgeführt wurde, dass du glauben konntest, dein Bruder tue dies aus unwürdigen Motiven; oder, als er die Fortsetzung des Krieges wünschte, sei er schlecht genug gewesen, um zu wünschen, dass noch mehr seiner Mitgeschöpfe erschlagen, – zu Sklaven gemacht, – noch mehr Familien aus ihren friedlichen Wohnungen vertrieben würden, und zwar lediglich um seines Vergnügens willen. – Sag mir, Bruder Shandy, was habe ich angestellt, worauf du diese Ansicht begründest? (Dem Teufel hast du etwas angestellt, lieber Toby, aber ausgestellt hast du: nämlich einen Schein über hundert Pfund, die ich dir zur Fortsetzung der verwünschten Belagerungen lieh).
    War es meine Schuld, dass ich schon als Schuljunge keine Trommel schlagen hören konnte, ohne dass mein Herz ebenfalls schlug? – Habe ich mir diese Neigung eingepflanzt? – Habe ich den Alarm in mir geschlagen oder die Natur?
    Als der Graf Guy von Warwick, und Parismus und Parismenus, Valentine und Orson und die sieben Haimonskinder in der Schule herumgingen, – habe ich sie nicht alle mit meinem Taschengelde gekauft? – War das eine Handlung der Selbstsucht, Bruder Shandy? – Als wir die Belagerung von Troja lasen, die zehn Jahre und acht Monate dauerte, – während diese Stadt mit einem Artillerieterrain, wie wir ihn vor Namur hatten, in acht Tagen eingenommen worden wäre, – war ich nicht von der gegenseitigen Vernichtung der Griechen und Trojaner mehr aufgeregt als irgend ein Knabe in der Schule? – Erhielt ich nicht drei Streiche mit der ferula, zwei auf meine rechte Hand und einen auf meine linke, weil ich Helena ein liederliches Weibsbild genannt hatte? – Hat Einer von euch so viel Tränen um Hektor vergossen als ich? – Und als König Priamus in das Lager kam, um sich Hektors Leichnam zu erbitten und weinend mit ihm nach Troja zurückkehrte, – da war ich, wie du wohl weißt, nicht im Stande, mein Mittagessen zu verzehren.
    Geht daraus hervor, dass ich grausam war? – Oder, Bruder Shandy, als mein Blut nach dem Lager flog und mein Herz für den Krieg klopfte, war dies ein Beweis, dass es nicht auch das Elend des Kriegs schmerzlich empfinden könne?
    O Bruder, ein Anderes ist's für den Soldaten Lorbeeren zu sammeln, und ein anderes Cypressen zu streuen. (Wer sagte dir denn, lieber Toby, dass die Alten bei Trauerfällen Cypressen streuten?)
    Ein Soldat, Bruder Shandy, kann sein Leben wagen, – zuerst in einen Laufgraben springen, wo er sicher sein darf, in Stücke gehauen zu werden: – er kann aus Vaterlandsliebe und Durst nach Ruhm, zuerst durch eine Bresche eindringen, – in der vordersten Reihe stehen, und mit Trommeln und Trompeten und fliegenden Fahnen tapfer vorrücken, – das kann er, sage ich, Bruder Shandy; – aber deshalb kann er doch auch über das Elend des Krieges nachdenken, die Verwüstung ganzer Länder beklagen, – und die unerträglichen Strapazen und Entbehrungen wohl einsehen, denen er selbst, das Instrument, das jene (für sechs Pence täglich, wenn er sie nämlich bekommt) ausführen muss, unterworfen ist.
    Musste man mir sagen, lieber Yorick, wie Sie es in Ihrer Leichenrede für Le Fever taten, dass ein so sanftes und edles, zur Liebe, zur Barmherzigkeit und Güte geborenes Geschöpf wie der Mensch hierfür nicht geschaffen sei? Warum setzten Sie nicht hinzu, Yorick, – wenn er auch nicht durch seine Natur hierzu veranlasst werde, so könne ihn doch die Notwendigkeit dazu zwingen? – Denn was

Weitere Kostenlose Bücher