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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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Vertrags von Utrecht war auch die, dass er meinem Onkel Toby nahezu einen Ekel vor Belagerungen einflößte, und obschon er später seinen Appetit dazu wieder bekam, ließ doch Calais selbst keine tiefere Wunde in Maria's Herz, als Utrecht in dem meines Onkels Toby. Bis zu seines Lebens Ende konnte er den Namen Utrecht bei keiner Veranlassung nennen hören – ja sogar nicht einmal einen aus der Utrechter Zeitung stammenden Artikel lesen, ohne dass er einen herzbrechenden Seufzer ausstieß.
    Mein Vater, der ein großer Motivkrämer und deshalb eine sehr gefährliche Person war, zu der man sich weder, wenn man lacht noch wenn man weint, ohne Bedenken setzen konnte, – denn er wusste in der Regel den Grund warum man das Eine oder das Andere tat weit besser als der Betreffende selbst – pflegte bei solchen Anlässen meinen Onkel Toby immer in einer Weise zu trösten, aus der klar hervor ging, er meine, mein Onkel Toby sei nur deshalb so sehr über die ganze Sache betrübt, weil sie ihn um sein Steckenpferd brachte. – Nimm dir' s nicht zu Herzen, Bruder Toby, pflegte er zu sagen, – mit Gottes Hilfe wird ja bald wieder ein neuer Krieg ausbrechen; und wenn das geschieht – so können die kriegführenden Mächte uns, und wenn sie sich hängen wollten, nicht aus dem Spiele lassen. – Ich möchte sehen, mein lieber Toby, setzte er dann hinzu, wie sie Länder wegnehmen wollen, ohne Städte zu nehmen, – und wieder Städte, ohne sie zu belagern.
    Mein Onkel Toby nahm diesen hinterrücks geführten Hieb, den mein Vater hiermit seinem Steckenpferd versetzte, jedes Mal ungnädig auf. – Er hielt den Hieb nicht für edel, um so weniger als er mit dem Pferd stets auch den Reiter traf und zwar an der unehrenhaftesten Stelle, die ein Hieb treffen konnte, so dass er bei solchen Gelegenheiten stets seine Pfeife auf den Tisch legte, um sich mit grösserem Feuer als gewöhnlich zu verteidigen. Ich sagte dem Leser vor zwei Jahren, mein Onkel Toby sei nicht beredt gewesen und gab auf der gleichen Seite ein Beispiel vom Gegenteil. Ich wiederhole die Bemerkung und bringe zugleich eine Tatsache, die ihr abermals widerspricht. – Er war nicht beredt – es war für meinen Onkel Toby nichts Leichtes eine lange Rede zu halten – er hasste einen blühenden Stil; aber es gab Momente, wo der Strom den Mann mitriss und so gegen seinen gewöhnlichen Lauf ging, dass mein Onkel Toby eine Zeitlang und stellenweise wenigstens dem Tertullus gleich kam, an andern Stellen ihn aber nach meiner Ansicht weit übertraf.
    Mein Vater fand an einer dieser apologetischen Reden meines Onkels Toby, die derselbe eines Abends vor ihm und Yorick losgelassen hatte, ein solches Gefallen, dass er sie vor Schlafengehen niederschrieb.
    Ich hatte das Glück, sie unter den Papieren meines Vaters zu finden; er hatte ihr an einigen Stellen eigene zwischen zwei Klammern ( ) gesetzte Bemerkungen beigefügt und sie also überschrieben:
    Rechtfertigung meines Bruders Toby in Beziehung auf seine Grundsätze und sein Benehmen, weil er die Fortsetzung des Kriegs wünscht.
    Ich darf wohl sagen, dass ich diese apologetische Rede meines Onkels Toby hundert Mal gelesen habe, und halte sie für ein so schönes Muster einer Verteidigung, und glaube, dass sie von einer so liebenswürdigen Vereinigung von Tapferkeit und guten Grundsätzen in ihm zeugt, dass ich sie der Welt Wort für Wort (auch mit den Einschiebseln), wie ich sie fand, vorlege.
     
    193. Kapitel
    Die apologetische Rede meines Onkels Toby.
    Ich weiß recht gut, Bruder Shandy, dass, wenn ein Mann, dessen Beruf das Waffenhandwerk ist, den Krieg wünscht, wie ich es getan habe, – es vor der Welt keine gute Wirkung macht; – und dass wie gerecht und wahr auch seine Beweggründe und Absichten hierbei sein mögen, – er sich in einer unbehaglichen Stellung befindet, wenn er zur Rechtfertigung seiner Handlung Privatansichten anführt.
    Wenn daher ein Soldat klug ist, was er sein kann, ohne um ein Jota weniger brav zu sein, wird er wohl daran tun, seinen Wunsch nicht vor den Ohren eines Feindes zu äußern; denn er mag sagen was er will, ein Feind wird ihm nicht glauben. – Er wird sich sogar in Acht nehmen müssen, es vor einem Freund zu tun, – damit er nicht in dessen Achtung sinke. Wenn aber sein Herz übervoll ist, und ein geheimer Seufzer nach kriegerischer Tätigkeit sich durchaus Luft machen muss, so wird er ihn für das Ohr eines Bruders aufbewahren, der seinen Charakter von Grund aus kennt, und der weiß,

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