Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
Vom Netzwerk:
er sich deswegen vielleicht entschuldigen?
    „Mattes?“
    Matthias blickte auf. Anna erwartete offenbar eine Reaktion. Er rang mit den Worten.
    „Also ... ich weiß nicht, ob das alles so ist, wie Rainer sagt. Ich glaube, ganz so ist es nicht, aber das ist mir, ehrlich gesagt, auch scheißegal.“
    In Wirklichkeit war es Matthias Jäger nicht egal, was sein Bruder über ihn dachte, er wünschte aber, es wäre so.
    „Vor allem“, sagte er, „ging es darum gar nicht bei unserem Streit ... was heißt Streit? Wir haben nicht gestritten, er hat mich angeblafft.“
    „Aber warum denn?“
    „Ich habe ihm von meinem Besuch bei Nonna im Krankenhaus erzählt. Sie hat ein paar Dinge gesagt, die ihr ganz offensichtlich sehr wichtig waren, auf die ich mir aber keinen Reim machen konnte. Ich dachte, vielleicht wüsste Rainer irgendwas. Aber noch, bevor ich so recht zu Wort gekommen bin, hat er mich unterbrochen und geradezu zur Sau gemacht. Ja, und dann bist Du reingekommen.“
    „Was hat Nonna denn gesagt?“
    „Weißt Du irgendwas über 1943, über Reichsbankgold, die SS oder Adolf Eichmann?“
    „Wie bitte?“
    „Ich meine, hast Du von so was schon mal im Zusammenhang mit Nonno gehört?“
    „Um Gottes willen - nein! Was sollte denn Euer Großvater mit Adolf Eichmann zu tun gehabt haben?“
    Matthias nahm die Flasche Blauburgunder, schenkte beide Gläser noch einmal voll und sagte: „Wenn Du gerade nichts anderes vorhast, erzähle ich Dir ein paar Sachen, von denen ich allerdings nur wenig weiß, und das Wenige erst seit vorgestern.“

    Anna hatte ihrem Schwager die ganze Zeit schweigend zugehört. Als er fertig war, ließ sie kraftlos die Schultern sinken. Ihre Augen waren feucht. Matthias stand auf und versuchte, Anna aufzurichten, aber sie hing wie ein nasser Sack in seinen Armen. Also zog er sie ganz von dem Stuhl herunter auf den Boden lehnte sie an die Wand zwischen den Flaschenregalen und setzte sich neben sie. Eine Weile saßen die beiden stumm nebeneinander, Rücken an der Wand, die Beine gerade ausgestreckt, ihre Hände haltend.
    Unvermittelt drehte Anna den Kopf nach links, schaute Matthias an und fragte: „Hat Nonna das alles seit ... ich meine, immer schon ... gewusst?“
    „Ich bin nicht sicher, vermutlich ja.“
    „Und hat sie da ... mitgemacht?“
    „Nein! Frag‘ mich nicht warum. Ich weiß einfach, dass sie sich nie mit der SS eingelassen oder mit Gold zu tun gehabt hätte, das ihr nicht gehört.“
    „Ich würde sie gerne jetzt noch so viel fragen.“
    „Ich auch, das kannst Du mir glauben.“ Matthias klang bitter, als er diese Worte aussprach.
    „Weißt Du eigentlich“, fragte Anna, „warum ich so an Nonna hing, vielleicht mehr als Rainer?“
    „Das war mir, ehrlich gesagt, nicht einmal bewusst“, sagte Matthias.
    „Nonna war für mich die Verkörperung von Loyalität und Herzensgüte. Eine Revolution hätte sie wahrscheinlich nie angezettelt, aber sie war der Mensch gewordene passive Widerstand gegen alles Schlechte und Falsche.“
    „Ja, nur ist passiver Widerstand vielleicht manchmal ein bisschen wenig.“
    Anna ignorierte Matthias‘ Bemerkung.
    „Wusstest Du, dass ich meine eigenen Großmütter nie kennengelernt habe?“
    „Nein – komisch, ich habe Dich nie nach Deiner Familie gefragt. Ich weiß nur, dass Deine Eltern in Sterzing leben und dort einen Schuhladen haben.“
    „Einen Schuhladen??“ Anna lachte. „Ich glaube, ich hätte Dir die Flasche doch über den Kopf hauen sollen.“ Sie boxte Matthias so heftig auf den Oberarm, dass er beinahe zur Seite umkippte. „Wenn das, was meine Eltern haben, ein Schuhladen ist, dann ist der Jägerhof ein Matratzenlager. Die Leute kommen von weit her, um sich von meinem Vater Maßschuhe anfertigen zu lassen. Ich bekomme jedes Jahr zwei Paar Neue - eines zu Weihnachten und eines zum Geburtstag.“
    Matthias sah auf Annas Füße. Er konnte sich tatsächlich nicht erinnern, seine Schwägerin jemals in billigen Tretern herumlaufen gesehen zu haben. Ihren Schuhen sah man immer an, dass sie hochwertig und mit Sorgfalt ausgewählt waren. An diesem Abend trug sie schwarz-weiße Halbschuhe mit einem vielleicht zwei Zentimeter hohen Absatz, die man, wären es Herrenschuhe gewesen, als Budapester bezeichnet hätte. Jedenfalls sahen sie so aus - mit aufgesetzter Kappe und Lochverzierung. Das Stückchen Fußrücken, das zwischen dem Schuh und dem Rand von Annas schwarzer Jeans hervorblitzte, war makellos glatt.
    „Wieso hast Du Deine

Weitere Kostenlose Bücher