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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
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mich?“
    „Na ja, nicht gleich. Nachdem Du heute früh ...“ Sie sah auf die Uhr. „Also, gestern früh – Du weißt schon, was ich meine – gegangen warst, bin ich wieder zurück in die Bibliothek und wollte Rainer in den Arm nehmen. Aber der hat mich weggeschubst und gesagt, ich soll ihn in Ruhe lassen. Dabei dachte ich, er braucht mich vielleicht, schließlich ist Nonna gerade gestorben. Ich hab‘ ihm das auch gesagt, aber Rainer hat mich angefahren, ich solle mir nicht seinen Kopf zerbrechen, er brauche keine Hilfe, um mit dem Tod seiner Großmutter zurechtzukommen. Ich war so schockiert, ich hab‘ zu heulen angefangen und bin rausgelaufen.“
    „Und dann?“
    „Dann haben wir uns erst mal ein paar Stunden nicht gesehen. Rainer hat sich im Büro eingeschlossen, ich habe mich um die Speisekarte fürs Abendessen gekümmert, danach bin ich zum Einkaufen gefahren. Ich habe Rainer erst spät am Nachmittag wieder angesprochen, als die Bürotür offen stand.“
    Matthias dachte mit einem galligen Gefühl an Rainer. Der Herr legte immer viel Wert auf seinen Herrschaftsbereich, „sein“ Büro, „seinen“ Schreibtisch. Wenn er mit wichtigen Angelegenheiten beschäftigt war, die das gemeine Volk nicht zu interessieren hatten, schloss er hinter sich ab, und wenn er geruhte, ansprechbar zu sein, ließ er die Türe auch mal offen stehen.
    „Ich habe ihn gefragt, ob er sich wieder beruhigt hätte. Ja, ich weiß: falsche Frage! Aber ich war so sauer darüber, wie er mich behandelt hatte. Ich wollte mir nicht noch mal eine Blöße geben. Natürlich hat mich Rainer gleich wieder angeblafft: Was das heißen solle, ‚wieder beruhigt‘, schließlich sei ich doch heulend aus der Bibliothek gelaufen.“
    „So ein Arschloch“, sagte Matthias.
    „Das hast Du gesagt“, erwiderte Anna etwas zögerlich. „Auf jeden Fall habe ich mich nicht noch mal ins Bockshorn jagen lassen und ihm auf den Kopf zugesagt, dass ich durch die Tür hindurch gehört habe, wie er Dich angeschrien hat. Ich wollte wissen, worüber Ihr Euch unterhalten habt.“
    „Und - was hat er gesagt?“
    Auf dem Tisch zwischen den beiden stand die Flasche Blauburgunder, die Anna ihrem Schwager beinahe über den Kopf gezogen hätte. Anna sagte: „Trinkst Du einen Schluck mit mir?“
    Matthias lächelte, griff wortlos hinter sich ins Regal und fingerte nach einem Korkenzieher und zwei Gläsern.
    Für Winzer kann Blauburgunder ein Albtraum sein – eine schwer zu kultivierende Rebe, anfällig für kleinste Störungen – ein Fehler und ein kompletter Jahrgang ist beim Teufel. Aber der hier war gut geraten. Matthias wurde schon beim Schnüffeln ganz warm ums Herz. Aus dem Bauch des Glases stiegen ihm wunderbare Kirsch- und Vanille-Aromen in die Nase. Für einen Moment kam es ihm vor, als erlebte er nicht eine rätselhafte Nacht, sondern einen zauberhaften Abend, und das überraschende Treffen mit seiner Schwägerin fühlte sich ein bisschen an wie ein Rendezvous. Er nahm einen ersten respektvollen Schluck und genoss das seidige Gefühl auf Zunge und Gaumen und den anschließenden langen Abgang. Er schaute auf Anna, deren Gesicht vom Schein der Grubenlampe erhellt wurde, auf ihre hellblauen Augen und die kleinen, wenigen Sommersprossen, die sie wahrscheinlich in Jahrzehnten noch mädchenhaft würden aussehen lassen.
    Matthias hätte sich am liebsten einfach weiter diesen Gerüchen, diesem Geschmack und diesen Anblick hingegeben, aber dann rutschte er wieder zurück in die Realität dieser rätselhaften Nacht.
    „Also - was hat Rainer Dir geantwortet?“
    „Er hat gesagt, Du könntest nicht aufhören, Dich wie ein „kleiner Bruder“ zu benehmen. Du seist ichbezogen und wehleidig und würdest Dich immer drauf verlassen, dass er schon alles richte. Er habe keine Lust, dauernd Dein Kummerkasten zu sein.“
    Matthias wich vor Zorn das Blut aus dem Kopf, aber er wollte sich nicht verteidigen - er wollte es einfach nicht nötig haben. Es stimmte schon - Rainer war der Macher, der Manager, der Unternehmer, der, der den Jägerhof am Laufen hielt. Aber Matthias lag niemandem auf der Tasche. Er trug das, was er als Lehrer an der Volkshochschule in Bozen verdiente, zum Familieneinkommen bei. Und etliche Gäste kamen nur oder vor allem wegen der Motorradtouren, die er anbot. Diese Arbeit machte Matthias zugegebenermaßen Spaß, aber das konnte man ihm ja wohl kaum zum Vorwurf machen. Ja, und außerdem war er gefühlig, gefühliger jedenfalls als sein Bruder. Sollte

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