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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
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naheliegend. 1940 hatte Karl Jäger am Frankreich-Feldzug teilgenommen, kurze Zeit war er in Griechenland im Einsatz, danach kam er an die Ostfront. Seine einzige schwere Verwundung erlitt er in der Woche zwischen Weihnachten und Silvester 1942 – in Stalingrad. Die Granatensplitter, die sich in seinen linken Oberschenkel gebohrt hatten, brachten ihm einen Platz in einem Transportflugzeug Richtung Westen ein und bedeuteten sein Überleben.
    Karl Jäger hatte mehr erlebt als nötig ist, um auf Dauer psychisch zerrüttet zu sein. Matthias ertappte sich dabei, dass er diesen Gedanken hin und her wälzte, um eine Erklärung, vielleicht eine Entschuldigung, für das zu bekommen, was er in der nächsten Zeit über seinen Großvater herausfinden könnte. Aber mehr oder weniger im gleichen Augenblick wurde ihm auch klar, wie durchsichtig dieser Versuch war. Matthias hatte seinen Großvater als gelassenen, warmherzigen und offenen Menschen erlebt, der seine Familie liebte und seine Freunde schätzte. Egal, welche Albträume den Mann in manchen Nächten vielleicht heimgesucht haben mögen – Matthias hatte, wenn er ehrlich war, nicht das Gefühl, dass sie mildernde Umstände sein könnten für ... ja, für was eigentlich? Er musste, verdammt noch mal, endlich Klarheit bekommen.
    Greta hatte Matthias und seinen Mitfahrern am Morgen noch hinterhergeschaut. Sie hatte sich nicht ausdrücklich versteckt auf der vorderen Terrasse, das nicht. Sie hatte sich nur nicht bemerkbar gemacht. Sie wollte Matthias nach ihrem Streit einfach hinterher schauen und sehen, wie sich das anfühlt.
    Sie war grob zu ihm gewesen und sie war sauer darüber, dass er ihr ‚ideologischen Eifer‘ unterstellt hatte – gerade so, als ob sie nicht vollkommen zurechnungsfähig oder urteilsfähig sei. Aber was hätte anders laufen können? Sie hatte ja sogar einen Tag lang in Ruhe nachgedacht, um nicht vorschnell mit irgendetwas herauszuplatzen. Und dann hatte sie ihren Standpunkt klar gemacht. Sie war überzeugt von diesem Standpunkt, und da gab es auch nichts zu relativieren oder aufzuweichen. Und Matthias? Er war ihrem Furor gegenüber eigentlich ganz tapfer gewesen. Und er hatte schon den Eindruck gemacht, als wollte auch er Aufklärung. Dass er sich scheute, jedenfalls mehr als sie, die Büchse der Pandora zu öffnen, konnte sie ihm nicht ernsthaft verdenken.
    Greta wollte sich gerade wieder auf den Weg zurück ins Haus machen, als ihr auf der gegenüberliegenden Straßenseite das lila Auto auffiel, das da immer noch oder schon wieder stand. In dem Wagen saß ein blonder Mann. Greta war sicher, dass es der war, der am Tag zuvor die Kamera mit dem großen Objektiv aus dem Kofferraum geholt hatte. Sie versteckte sich hinter einem Buchsbaum und beobachtete den Unbekannten; es sah aus, als ob er etwas las oder sich Notizen machte.
    Was tat sie da eigentlich? In einem Südtiroler Urlaubsort steht am Straßenrand ein ausländisches Auto, und in dem Auto sitzt ein Mann. Geradezu eine zwingende Situation, um Herzrasen zu bekommen und sich hinter einem Baum auf die Lauer zu legen. Greta hatte den Verdacht, dass sie sich lächerlich benahm. Aber das ungute Gefühl in ihrem Bauch blieb. Sie hätte es nicht konkret begründen können, aber dieser Mann bewegte und benahm sich irgendwie nicht wie ein Tourist. Und vor allem: Es gab in Tiers tausend bessere Plätze, um sein Auto abzustellen, vor allem über zwei Tage hinweg.
    Wie auch immer – sie wollte es jetzt wissen. Wenn sich das, was sie nun vorhatte, tatsächlich als lächerlich und peinlich herausstellen sollte, dann würde ihr schon etwas einfallen.
    Greta verließ die vordere Terrasse über das Begrenzungsmäuerchen auf der rechten Seite und lief zweihundert Meter die Straße hinunter. Dort wechselte sie zwischen zwei Lieferwagen, die an einer roten Ampel standen, auf die andere Seite, sprang über die Leitplanke und ließ sich dann, die Füße quergestellt, zwei, drei Meter die Böschung hinunterrutschen. Dann stakste sie, wie auf unterschiedlich hohen Stelzen, die zweihundert Meter wieder zurück, bis sie auf Höhe des lila Autos war.
    Der Mann saß immer noch darin.
    Gretas Herz pochte. Sie konnte immer noch beschließen, sich nicht zur Närrin zu machen, auf der Böschung zurückschleichen und die Sache mit dem lila Auto zu einem vorübergehenden Anflug von Hysterie erklären. Aber sie fürchtete, dass sie das bereuen würde.
    Mit einem Satz sprang sie über die Leitplanke, riss die rechte Tür des

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