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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Biegert
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Galanis stieg auf eine „Aprilia Caponord“, eine Maschine, die an und für sich ideal war für Fahrten in den Bergen, mit fünf Zentnern aber nicht gerade ein typisches „Frauenmotorrad“. Entweder war Elena Galanis kräftiger als sie aussah, oder sie konnte einfach sehr gut Motorrad fahren ... oder beides.
    Matthias lotste seine Gäste Richtung Osten. Nach ein paar hundert Metern schon, am Ortsausgang von Tiers, hatte die Gruppe rechter Hand einen klaren, weiten Blick über eine bewaldete Kuppe auf die Vajolettürme und das „Gartl“. Matthias Jäger dachte an die Sage von König Laurin und an seinen Großvater.
    Den ersten Halt machte er auf dem Pordoijoch in 2.240 Metern Höhe. Passhöhen sind die perfekten Zwischenstopps, um den Rhythmus der letzten zwei Dutzend Spitzkehren nachklingen zu lassen, sich an der Aussicht zu ergötzen oder für eine Gipfelzigarette. Letzteres hatte Elena im Sinn. Sie fummelte einen Lederbeutel aus dem Tankrucksack und begann, mit Tabak und Papierchen zu hantieren.
    „Drehst mir auch eine?“, fragte Matthias.
    Er hatte selber nie was zum Rauchen dabei, nur ab und zu schnorrte er sich eine, insbesondere auf Passhöhen – es war so etwas wie die Zigarette „danach“.
    „Da.“
    Elena reichte ihm die, die sie gerade gedreht hatte. Matthias steckte sie zwischen die Lippen und spürte am Filter die Feuchtigkeit, die Elenas Zunge hinterlassen hatte.
    Den nächsten Halt machte die Gruppe am Falzaregopass. Matthias erzählte seinen Gästen, was es mit diesem Namen auf sich hatte. „Falza Rego“ bedeutet „falscher König“, das ist eine Figur aus dem ladinischen Nationalepos vom „Reich der Fanes“. Mit dem genauen Inhalt der Sage tat sich Matthias schwer. Er wusste nur noch, dass es eine verwinkelte Geschichte von Krieg, Verrat, Gier und Liebe ist, in der Murmeltiere, Adler, Zwerge und ein Zauberer in Gestalt eines halbverwesten Maultieres auftreten.
    „Und was ist mit Dolasilla?“, fragte Elena grinsend wie ein Schulmädchen.
    Matthias staunte, aber Elena Galanis gab gleich zu, dass sie just am Abend zuvor in der Bibliothek des Jägerhofes in einem Buch mit ladinischen Sagen gelesen hatte. Deshalb wusste sie, dass Prinzessin Dolasilla mit einem weißen Panzer und unfehlbaren Zauberpfeilen ausgestattet, ihr Volk durch zahlreiche siegreiche Schlachten führt, und dass ihr Vater, der König der Fanes, in seiner Gier nach Gold das Reich an die Feinde verrät. Diese besiegen die Fanes in der Entscheidungsschlacht, Dolasilla wird getötet. Der König wartet währenddessen am Berg Lagazuoi auf seine Belohnung. Doch die bekommt er nicht. Stattdessen verwandelt sich der falsche König, der ‚falza rego‘, zu Stein.
    „Gold“, „Gier“, „Krieg“ – diese Worte schwirrten Matthias durch den Kopf, während Elena ihr kleines Referat hielt, und er fragte sich, ob er nicht vielleicht ein klein wenig paranoid war.
    „Wir liegen ganz locker in der Zeit“, sagte Matthias, „wenn Ihr wollt, zeige ich Euch einen ungewöhnlichen Kriegsschauplatz.“
    „Wo denn?“ Ralf Lissmann schaute etwas ratlos umher.
    „Da oben!“
    Eine steile Kabinenbahn führte vom Parkplatz am Falzaregopass bis hinauf zu einem Bergmassiv.
    „Das ist der Kleine Lagazuoi“, erklärte Matthias. „Da gibt es ein Freilichtmuseum über die Dolomitenkämpfe im Ersten Weltkrieg. Ich weiß zwar nicht, wie weit wir stapfen können bei dem vielen Schnee, den‘s da oben noch hat, aber einen Eindruck werdet Ihr auf jeden Fall bekommen, und ich erzähle Euch ein bisschen was.“
    Es lag wirklich noch ein Haufen Schnee in fast 2.800 Metern Höhe. Maria Herbst war unten geblieben, um sich in der Talstation aufzuwärmen, aber ihr Mann, Elena und Ralf Lissmann waren mit hochgekommen.
    Matthias kannte die Gegend; er war als Junge oft mit seinem Großvater hier gewesen.
    „Ihr müsst Euch das vorstellen: Hier haben, manchmal bei minus 40 Grad, italienische Alpini, österreichische Kaiserjäger und Soldaten des Deutschen Alpenkorps gegeneinander gekämpft. Zwischen 1915 und 1918 sind mehr Männer erfroren, abgestürzt, verhungert oder in Lawinen umgekommen, als durch feindliche Geschütze getötet worden.“
    „Wahnsinn, das ist abartig ... hört mal.“
    Christoph Herbst saß auf einem Mäuerchen. Auf den Knien hatte er eine Broschüre über den Dolomitenkrieg, die es in der Talstation zu kaufen gab.
    „Hier ist ein Bericht einer österreichischen Infanteriebrigade vom 21. Oktober 1915: ‚Am Lagazuoi-Felsband hat

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