Laurins Vermächtnis (German Edition)
Rippen.
„Schon in Ordnung, Mattes“, sagte Anna. „Du kannst ja nichts dafür, dass ich gerade ein potenzielles Beziehungsproblem habe.“
Greta klopfte mit der flachen Hand auf den Rand der Matratze, um Anna zu signalisieren, dass sie sich setzen solle. Anna zögerte ein bisschen, ließ sich dann aber auf der Bettkante nieder.
„Vielleicht bin ich ein wenig paranoid, aber heute darf ich das. Ich habe gerade Rainers Hosen- und Jackentaschen durchsucht.“
„Und?“, fragte Matthias.
„Nichts, abgesehen von zwei alten Kinokarten und einem vergessenen 10-Euro-Schein. Aber dann habe ich den Papierkorb in unserem Zimmer ausgeleert und das hier gefunden.“
Sie reichte Matthias einen zerknüllten Notizzettel. Darauf stand: „Check Galanis!“
„Sagt uns das was?“
„Ich schätze schon“, antwortete Matthias. „Ich frag’ mich nur gerade, was. Mit einer Zimmerreservierung wird es wohl kaum etwas zu tun haben. Außerdem: Wenn Rainer und die junge Dame so vertraut miteinander sind, wie es uns scheint, dann hätte er „Elena“ oder „E.“ geschrieben. Und was soll „Check“ heißen?“
Anna rieb sich die Hände.
Auf einmal sagte Greta: „Vielleicht geht es ja um jemand anderen, der „Galanis“ heißt.“
„Das wäre aber ein komischer Zufall“, meinte Matthias. „Andererseits ...“
Er zog sich seinen „Route-66“-Kapuzenpulli über und schlüpfte aus dem Bett.
Anna musste grinsen. Entweder war ihrem Schwager gar nicht aufgefallen, dass er untenrum nichts anhatte, oder es war ihm einfach egal.
Matthias setzte sich an den Schreibtisch und jetzt spürte er das glatte, kühle Holz des Stuhls auf der nackten Haut.
„Oops“, sagte er und zog sich den Kapuzenpulli so weit wie möglich nach unten. Dann fuhr er den Computer hoch.
„Was machst Du?“, fragte Greta.
„Ich bedecke meine Blöße.“
„Du Depp, Du weißt, was ich meine.“
„Ich weiß es noch nicht genau, einfach mal ein bisschen im Nebel stochern.“
Er öffnete den Browser und gab „Galanis“ ein. Ganz oben in der Trefferliste stand ein Eintrag über den griechischen Maler „Demetrios Galanis“ und danach kam abertausende mal irgendwas.
Matthias überlegte.
Paul hatte einen slowenischen Hafen erwähnt.
Er tippte: „Galanis Slowenien“
Bingo!
Der erste Eintrag war die Website der Reederei „Ibal-Ferries“, die unter anderem Fährverbindungen zwischen Venedig und dem slowenischen Küstenort Piran anbietet. Matthias klickte auf den Link für diese Route und las:
„Kapitän Galanis und seine Crew machen ihre Überfahrt zu einem besonderen Erlebnis.“
Matthias drehte sich um und machte ein feierliches Gesicht, das in groteskem Kontrast zu seiner Erscheinung stand: obenrum der „Route-66“-Pulli und untenrum nix.
„Meine Damen, ich verlasse mich darauf, dass Sie morgen das Hotel managen. Ich werde eine Dienstreise nach Venedig unternehmen.“
Matthias wusste, als er früh am Morgen losfuhr, eigentlich gar nicht so recht, was er erwartete, in Venedig zu sehen oder zu erfahren. Aber ein Fehler konnte so ein Sonntagsausflug jedenfalls nicht sein. Und in Detektivromanen hieß es doch oft auch über den Helden: „Er beschloss, sich die Sache mal aus der Nähe anzusehen“ , ohne dass er schon eine heiße Spur gehabt hätte.
Er genoss die Fahrt. Die Luft war frisch und klar, und es tat ihm gut, nach den aufreibenden Tagen, in Bewegung zu sein und Fahrtwind zu spüren.
Etwa auf halber Strecke machte Matthias Rast am Lago di Santa Croce, einem Stausee, der vor allem bei Surfern beliebt ist. Er warf Steine ins grüne Wasser und stellte sich vor, wie er und Manfredo in der Mitte des Sees in einem Ruderboot sitzen würden und Goldbarren versenken – einen nach dem anderen, bis die ganze Geschichte verschwunden wäre. Aus dem Bild wurde ein Gedanke. Gab es einen Grund, das nicht zu tun? Sie könnten den Raum unter der Bibliothek ausräumen, die Kisten in Manfredos Harley-Transporter schaffen und das ganze Zeug ein bisschen weiter nach Süden bringen. War es nicht so ähnlich auch in den Jägerhof gelangt?
Ja, dachte sich Matthias, das könnten sie wohl. Aber es gab tatsächlich ein paar gute Gründe, es nicht zu tun, und die Gefahr, dass sie bei der Aktion erwischt werden könnten, war nur einer davon. Was war zum Beispiel, wenn die Leute, mit denen sich Rainer eingelassen hatte, feststellen würden, dass die goldene Quelle mit einem Mal versiegt war? Würden sie sich das einfach so gefallen lassen?
Weitere Kostenlose Bücher