Laurins Vermächtnis (German Edition)
Fälschung.“
„Genauso ist es. Rainers eigene Handschrift ist der meines Großvaters nicht so unähnlich. Wenn er dann noch die Tagebucheintragungen als Vorlage benutzt und sich ein bisschen Mühe gibt, kriegt er das schon hin.“
„Aber warum der Aufwand?“
„Bin mir nicht sicher. Eine Nebelkerze vielleicht, ein Ablenkungsmanöver, um Zeit zu gewinnen.“
„Mein Gott, an dieser Geschichte stinkt ja praktisch alles. Ich hab’ langsam Mühe, die Puzzleteilchen im Kopf noch beieinander zu behalten. Ich mach’ uns noch mal zwei Cappuccini, vielleicht regt das die Gehirnzellen an.“
Aus der Küche klangen das Blubbern der Espressomaschine und das Zischen des Milchaufschäumers herüber. Matthias schaute an die Decke und ließ die Ereignisse der vergangenen Tage an seinem geistigen Auge vorüberziehen. In dem geheimen Raum unter der Bibliothek blieb er hängen. Er sprang auf, lief in die Küche und rief, um das Geblubber und Gezische zu übertönen: „Verdammte Scheiße, Manfredo, das ist noch was!“
Manfredo Fratelli stoppte die Maschine, drehte sich um und sagte: „Trink und sprich!“
„Was hat Paul gesagt, wie viele Goldbarren hat Rainer in dem Fischkutter aus seinem Rucksack geholt?“
„Fünf.“
„Genau, und jetzt erinnere Dich an vorgestern Abend, an die Holzkisten unter der Bibliothek. Neun Kisten mit jeweils 50 Barren und eine mit nur zehn. Wenn wir nach wie vor davon ausgehen, dass die Nazi-Jungs ihre Kisten alle schön ordentlich bis zum Rand vollgemacht haben, dann fehlen vierzig Stück. Fünf gingen auf dem Fischkutter über den Tisch. Bleiben noch 35 Goldbarren ... in einem Gesamtwert von ungefähr einer dreiviertel Million Euro. Die hat mein Bruder entweder schon zu Geld gemacht oder irgendwo anders gebunkert.“
„Kannst Du Dir echt vorstellen, dass Dein Bruder nach der Erfahrung mit Paul weiter schmutzige Geschäfte macht? Der nächste Finanzpolizist, der ihm auf die Schliche kommt, wird kein Freund seines Bruders sein.“
„Mit den Leuten von dem Fischkutter wird er keine Geschäfte mehr machen, die sind ja seit damals verbrannt. Aber vielleicht hat er ein bisschen Zeit vergehen lassen und sich dann neue Partner gesucht. Weißt Du, mein Bruder hält sich für ziemlich schlau und gerissen, und damit liegt er leider auch richtig.“
„Was willst Du jetzt machen?“
„Ich muss ihn stoppen, was auch immer er in den letzten paar Jahren gemacht hat oder vielleicht gerade macht. Der treibt uns in den Untergang. Entweder, weil er mit einem Loch im Kopf in einer Kiesgrube endet, oder weil ihn jemand schnappt, der sich nicht um mein Wohlergehen kümmert.“
Manfredo Fratelli schüttelte den Kopf. „Wahnsinn! Wenn was ist ...“
„Ja, ich weiß, wo ich Dich finde. Danke, Mann.“
Matthias ging hinunter auf den Hof und holte sein Handy aus dem Tankrucksack. Acht Anrufe in Abwesenheit, alle von Greta! Er konnte es selber kaum glauben, er war mal wieder ohne Nachricht verschwunden. Matthias wählte ihre Nummer, Greta nahm nach dem ersten Klingeln an.
„Verdammt, Mattes, kannst Du mir nicht, wenn Du gehst, einen Zettel hinterlassen oder eine SMS schicken, oder irgendetwas anderes tun, was normale Menschen so tun?“
„Greta, ich ...“
„Ich will keine gammeligen Entschuldigungen hören! Kannst Du Dir vorstellen, welche Sorgen ich mir seit Stunden gemacht habe? Meine Haare sind grau und meine Fingernägel abgekaut!“
„Schimpf’ nicht, Du hast ja Recht. Außerdem liebe ich graue Haare, und Fingernägel wachsen nach. Greta, wir müssen dringend reden! Kannst Du in einer halben oder dreiviertel Stunde unten am Breibach sein? Und bring’, wenn es irgendwie geht, Anna mit.“
„Natürlich, ich werde da sein. Nach Anna muss ich erst mal schauen.“
Danke, ich liebe Dich, Greta. Bis gleich.“
Während Matthias am Ufer des Flüsschens auf die beiden Frauen wartete, versuchte er zu realisieren, was aus seinem Leben geworden war.
Dass SS-Leute während des Krieges vom Jägerhof aus Falschgeld vertickt haben, dass Adolf Eichmann in seinem Elternhaus gewohnt hat, dass in einem geheimen Raum unter der Bibliothek hunderte von Goldbarren mit Hakenkreuzen herumliegen – das alles fand er noch vor wenigen Tagen schockierend. Jetzt erschien es ihm allenfalls noch skurril. Das mit dem Gold ließe sich klären, da muss eben ein Anwalt einen Brief ans Innenministerium schreiben oder ans Außenministerium oder irgendwas in der Art. Die anderen Sachen sind Geschichte, und sein
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