Laurins Vermächtnis (German Edition)
die junge Frau am Kai zu.
Kapitän Galanis. Matthias hatte keinen Zweifel.
Unten angekommen, umarmte der Mann die Frau im Motorraddress, küsste sie auf beide Wangen und strich ihr übers Haar. Nach ein paar Augenblicken lösten die beiden die Umarmung, hielten sich an den Händen, redeten und lachten. Auf einmal wurde der Gesichtsausdruck des Mannes ernst. Er sagte etwas und die junge Frau – seine Tochter, da war sich Matthias jetzt sicher – zog einen Umschlag aus der Jackentasche. Galanis öffnete ihn, las offenbar, was auf dem Blatt in dem Umschlag stand und nickte. Er ging zurück aufs Schiff und Elena Galanis verschwand in der Menschenmenge auf dem Kai.
Matthias dachte nach.
Das Gespräch zwischen Paul und Rainer auf dem Küchenbalkon im Jägerhof. Die Notiz „Check Galanis“ im Papierkorb. Elenas Treffen mit ihrem Vater gerade eben. Matthias war sich sicher, dass er alles, was es heute in Venedig zu sehen geben könnte, gesehen hatte.
Er ging zurück zu seinem Motorrad.
Die „Aprilia Caponord“ stand nicht mehr da.
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13. Kapitel
Am Abend sah er die Aprilia wieder; sie stand auf dem Parkplatz neben dem Jägerhof. Im ersten Augenblick war Matthias verblüfft über so viel Chuzpe, aber im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass es für Elena Galanis natürlich keinen Grund gab, sich vom Haus fernzuhalten. Sie war Stammgast dort, hatte tagsüber einen Motorradausflug gemacht und würde jetzt im Hotelrestaurant etwas essen.
Als Matthias das Hotel betrat, lief er ihr auch tatsächlich über den Weg. Sie war schon umgezogen und offenbar auch frisch geduscht, auf jeden Fall waren ihre Haare noch ein bisschen feucht.
„Hallo Matthias“, rief sie und winkte ihm zu. „Was für ein schöner Abend! Endlich wird es Frühling.“
„Ja, endlich“, antwortete er und ging weiter Richtung Treppe. Das war nicht besonders herzlich, nicht einmal höflich, aber Matthias fürchtete, wenn er näherkäme, würde Elena ihm irgendwas an der Nasenspitze ansehen.
„Und – wie war’s?“, fragte Greta in der gleichen Sekunde, in der Matthias ins Zimmer trat.
„Ich freue mich auch, Dich zu sehen, mein Schatz. Ich sag’ Dir, wie der Plan lautet: Ich werfe jetzt meine Motorradklamotten von mir, dann gehe ich unter die Dusche, um mir den langen Tag abzuwaschen. Danach kriegst Du einen Kuss und ich erzähle Dir, was ich erlebt habe.“
„Ja Chef“, sagte Greta lächelte.
Sie hatte keine konkrete Vorstellung gehabt, was ihrem Freund auf seiner „Dienstreise“ hätte passieren sollen, trotzdem hatte sie ab dem Nachmittag begonnen, sich Sorgen zu machen.
Nachdem Matthias zu Ende berichtet hatte, sagte Greta: „Unfassbar, diese Rockerbraut steckt da mit drin!“
„Moment, Moment ...“
„Sollen wir sie ... ich meine, willst Du Sie ... zur Rede stellen?“
„Ich sagte doch: ’Moment’. Sie hat sich also mit ihrem Vater getroffen. Daraus kann man ihr wohl kaum einen Strick drehen.“
„Ja, aber das Blatt in dem Umschlag!“
„Weißt Du, was drauf stand?“
„Nein, Du?“
„Natürlich nicht. Was ich sagen will: Wir wissen doch gar nicht, ob sie überhaupt an irgendwelchen krummen Sachen beteiligt ist.“
„Männer! Ihr könnt Euch offenbar nie vorstellen, dass eine Frau Dreck am Stecken hat.“
„Mmh – ich glaube, wir wollen es uns nicht vorstellen.“
„Denk’ doch mal an meine Großmutter.“
„Die hat doch niemandem was zu Leide getan.“
„Ja, weil sie sich frühzeitig eine Kugel in den Kopf geschossen hat. Mann! Die war ein Hitler-Groupie. Reicht das nicht?“
„Ja doch, ich weiß, was Du meinst. Also noch mal: Selbst wenn – ich wiederhole: wenn – Elena in schmutzige Geschäfte verwickelt ist, was sollte ich ihr denn sagen? ’Na Du kleines Luder, ein kleiner Nebenjob für Papi?’“
„’Luder’ wäre schon mal ein Anfang.“
Matthias setzte ein gönnerhaftes Lächeln auf, nahm Greta in den Arm und öffnete den Mund. Aber zu mehr kam er nicht.
„Kein Wort! Nein, ich bin nicht eifersüchtig.“
„Ich wollte doch gar nichts sagen.“
„Doch, wolltest Du. Du Sack.“ Greta lachte und küsste ihn.
„Also – was machen wir dann?“
„Gute Frage, ich muss nachdenken. ... lass’ mich raten: Rainer wirst Du heute nicht gesehen haben, oder?“
„Nein, der ist verschwunden. Anna hat auch nichts von ihm gehört.“
„Weißt Du was? Wir gehen jetzt ins Bett.“
„Wie?“
„Ja. Wir können schlafen, oder auch nicht. Aber vorsichtshalber stellen wir uns
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