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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Thoma
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ich aber an die Marie gedacht hatte, wußte ich nicht
    einmal das Kapitel, wo wir standen, und da kriegte ich einen
    brennroten Kopf. Dem Professor fiel das auf, da er immer
    Verdacht gegen mich hatte, und er ging auf mich zu.
    Ich blätterte hastig herum und gab meinem Nachbar ei-
    nen Tritt. „Wo stehen wir? Herrgottsakrament!“ Der dumme
    Kerl flüsterte so leis, daß ich es nicht verstehen konnte, und
    der Professor war schon an meinem Platz. Da fiel auf einmal
    der Brief aus meinem Caesar und lag am Boden.
    Er war auf Rosapapier geschrieben und mit einem wohl-
    riechenden Pulver bestreut.
    Ich wollte schnell mit dem Fuße darauf treten, aber es
    ging nicht mehr. Der Professor bückte sich und hob ihn auf.
    Zuerst sah er mich an und ließ seine Augen so weit her-
    aushängen, daß man sie mit einer Schere hätte abschneiden
    können. Dann sah er den Brief an und roch daran, und dann
    nahm er ihn langsam heraus. Dabei schaute er mich immer
    durchbohrender an und man merkte, wie es ihn freute, daß
    er etwas erwischt hatte.
    Er las zuerst laut vor der ganzen Klasse.
    „Innig geliebtes Fräulein! Schon oft wollte ich mich Ihnen
    nahen, aber ich traute mich nicht, weil ich dachte, es könnte
    Sie beleidigen.“
    Dann kam er an die Stelle vom Sacktuch, und da mur-
    melte er bloß mehr, daß es die andern nicht hören konnten.
    Und dann nickte er mit dem Kopfe auf und ab, und dann
    sagte er ganz langsam:
    „Unglücklicher, gehe nach Hause. Du wirst das Weitere
    hören.“
    Ich war so zornig, daß ich meine Bücher an die Wand
    schmeißen wollte, weil ich ein solcher Esel war. Aber ich
    dachte, daß mir doch nichts geschehen könnte. Es stand
    nichts Schlechtes in dem Brief; bloß daß ich verliebt war. Das
    geht doch den Professor nichts an.
    Aber es kam ganz dick.
    Am nächsten Tag mußte ich gleich zum Rektor. Der hatte
    sein großes Buch dabei, wo er alles hineinstenographierte,
    was ich sagte. Zuerst fragte er mich, an wen der Brief sei. Ich
    sagte, er sei an gar niemand. Ich hätte es bloß so geschrieben
    aus Spaß. Da sagte er, das sei eine infame Lüge, und ich wäre
    nicht bloß schlecht, sondern auch feig.
    Da wurde ich zornig und sagte, daß in dem Briefe gar
    nichts Gemeines darin sei, und es wäre ein braves Mädchen.
    Da lachte er, daß man seine zwei gelben Stockzähne sah,
    weil ich mich verraten hatte. Und er fragte immer nach dem
    Namen. Jetzt war mir alles gleich, und ich sagte, daß kein
    anständiger Mann den Namen verrät, und ich täte es nie-
    mals. Da schaute er mich recht falsch an und schlug sein
    Buch zu. Dann sagte er: „Du bist eine verdorbene Pflanze
    in unserem Garten. Wir werden dich ausreißen. Dein Lügen
    hilft dir gar nichts; ich weiß recht wohl, an wen der Brief ist.
    Hinaus!“
    Ich mußte in die Klasse zurückgehen, und am Nachmit-
    tag war Konferenz. Der Rektor und der Religionslehrer woll-
    ten mich dimittieren. Das hat mir der Pedell gesagt. Aber die
    andern halfen mir, und ich bekam acht Stunden Karzer. Das
    hätte mir gar nichts gemacht, wenn nicht das andere gewe-
    sen wäre.
    Ich kriegte einige Tage darauf einen Brief von meiner
    Mama. Da lag ein Brief von Herrn von Rupp bei, daß es ihm
    leid täte, aber er könne mich nicht mehr einladen, weil ihm
    der Rektor mitteilte, daß ich einen dummen Liebesbrief an
    seine Tochter geschrieben habe. Er mache sich nichts daraus,
    aber ich hätte sie doch kompromittiert. Und meine Mama
    schrieb, sie wüßte nicht, was noch aus mir wird.
    Ich war ganz außer mir über die Schufterei; zuerst weinte
    ich, und dann wollte ich den Rektor zur Rede stellen; aber
    dann überlegte ich es und ging zu Herrn von Rupp.
    Das Mädchen sagte, es sei niemand zu Hause, aber das
    war nicht wahr, weil ich heraußen die Stimme der Frau von
    Rupp gehört habe. Ich kam noch einmal, und da war Herr
    von Rupp da. Ich erzählte ihm alles ganz genau, aber wie ich
    fertig war, drückte er das linke Auge zu und sagte: „Du bist
    schon ein verdammter Holzfuchs. Es liegt mir ja gar nichts
    daran, aber meiner Frau.“ Und dann gab er mir eine Zigarre
    und sagte, ich solle nun ganz ruhig heimgehen.
    Er hat mir kein Wort geglaubt und hat mich nicht mehr
    eingeladen, weil man es nicht für möglich hält, daß ein Rek-
    tor lügt.
    Man meint immer, der Schüler lügt.
    Ich habe mir das Ehrenwort gegeben, daß ich ihn durch-
    haue, wenn ich auf die Universität komme, den kommunen
    Schuften.
    Ich bin lange nicht mehr lustig gewesen. Und einmal bin
    ich dem

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