Lauschangriff - Im Visier der Feinde
Sprecherin ratterte die mit Informationen vollgepackte Nachricht nur so herunter, trotzdem war sie nicht schnell genug. Der britische Experte Shane Collins schob erneut Dienst auf seinem Horchposten, und erneut fielen ihm die verräterischen Einzelheiten des Anrufs auf. Wieder benötigte er eine genauere Übersetzung, die er schnell geliefert bekam.
Er wusste bereits, dass der Ausgangspunkt des Handy-Anrufs etwa 80 Kilometer westlich von Peshawar, irgendwo in Afghanistan, lag. Er schickte eine Meldung an einen britischen Horchposten in Großbritannien, um den Anruf aufzufangen und die Frequenzlinie zu verfolgen. Minuten später erfuhr er, dass die Linien sich über Bradford in West Yorkshire schnitten.
Er informierte seinen Vorgesetzten, berichtete ihm von seinem Fund und der Tatsache, dass der Anruf alle Merkmale eines früheren Anrufs aus dem Hindukusch aufwies. Der junge britische Captain schickte eine Meldung ans GCHQ Cheltenham, England. Dort ließ man den Anruf durch ein Testprogramm laufen, das Sergeant Collins Ergebnis bestätigte, und schickte den umfassenden Bericht direkt an Commander Ramshawe.
Shakir Khan war erneut abgehört worden.
Wie fast jeder hochrangige islamische Geistliche war Scheich Abdullah Bazir ein Mann von großer Gelehrsamkeit. Er hatte wie Ayatollah Chomeini 15 Jahre in der heiligen schiitischen Stadt Ghom studiert, in der das gewaltige Mausoleum von Fatima bint Musa mit seiner goldenen Kuppel steht. Als Theologe genoss er eine hervorragende Ausbildung, wusste um die außerordentliche Geschichte seiner Religion, war mit ihren Gesetzen und Regeln, den Lehren und Verboten vertraut. Er konnte seinen Anhängern nicht unmittelbaren Zugang zu Allah verschaffen, aber er konnte ihnen den Weg dorthin zeigen, konnte sie lehren, den einen und einzigen Gott anzuflehen, damit er ihre Gebete erhöre, und sie auf den heiligen und rechtschaffenen Weg leiten.
Trotz all dieser Gelehrsamkeit war Scheich Abdullah nicht bewusst, dass die Briten die Meldung an ihn abgefangen und entschlüsselt hatten. Der Weg zum Satan führt über Mezquita, wo der Prophet Janus tötete … Mezquita ist das spanische Wort für Moschee, und bei »Janus« musste er unweigerlich an Córdoba denken. Jeder muslimische Geistliche kannte die Legende der Moschee in Córdoba, wo die muslimischen Eroberer im Jahr 785 die heilige Stätte eines römischen, dem doppelgesichtigen Gott Janus geweihten Tempels entdeckten. Genau an dieser Stelle errichteten sie daraufhin das riesige Bauwerk ihrer Moschee.
Scheich Abdullah zweifelte also nicht im Geringsten: Ibrahim, Yousaf, Ben und Abu waren auf dem Weg nach Andalusien, in das radikale Herz des unruhigen Córdoba.
Und weiter zum MCM in der Colonia del Valle. Die restliche Meldung erschloss sich von selbst. Jahrelang hatten muslimische Geistliche in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten still und heimlich die Verbreitung ihrer Religion in Mexiko gefördert. Aufgrund der weitverbreiteten Armut, der zunehmenden Abkehrvom Christentum und der aufrührerischen Natur der Bevölkerung, die in der freien Welt seinesgleichen sucht, bettelte Mexiko regelrecht nach der Da’wa, der Bekehrung zum Islam.
Die andere große revolutionäre Bewegung in Mexiko besteht aus der nach Emilio Zapata benannten Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung. Die Zapatisten, deren Wurzeln in Chiapas liegen, dem südlichsten und ärmsten Bundesstaat Mexikos, stellen einen gesellschaftlichen Unruheherd dar, der sich als Einfallstor für die muslimische Da’wa erweist. Jahrhundertelang hatten die Mexikaner in der katholischen Kirche religiösen Trost gefunden, mit der zunehmenden Verarmung der mexikanischen Bauern aber waren diese mehr und mehr zur Da’wa bereit.
Anfangs waren die muslimischen Organisationen in Mexiko so arm, dass der pakistanische Botschafter konvertierten Muslimen einen Gebetsraum in der Botschaft in Mexiko-Stadt zur Verfügung stellen musste, da sonst keine anderen Räumlichkeiten vorhanden waren. Erst in den späten 1990ern kam es zur Gründung einer ernst zu nehmenden islamischen Organisation, dem Muslim Center of Mexico, das schnell expandierte und in insgesamt 15 mexikanischen Städten Moscheen, Bibliotheken und Unterrichtsräume errichtete. Die schönste Anlage dabei liegt, wenig überraschend, an der Pazifikküste von Chiapas.
Jeder islamische Geistliche wusste von Allahs Aufstieg in Mexiko. Sie alle wussten von dem großen Interesse, das dem Islam dort entgegengebracht wurde, von den
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