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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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gemacht, und noch tiefer und noch tiefer, bis ihr Busen praktisch ‘rausfiel, und sie war immer noch nicht zufrieden.«
    »Warum hast du sie nicht gefragt, ob sie die verdammten Dinger nicht auf einem Silbertablett durch die Kirche vor sich her tragen wolle.«
    Suzanne fiel beinahe vom Stuhl. »Aberdas hab’ ich doch! Hab’ ich doch! Genau das habe ich zu ihr gesagt! D’Arcy, du kannst hellsehen!«
    »Keineswegs. Ich habe gehört, wie du es sagtest. Und unser neuer Etagenchef ebenfalls«, erklärte ich. »Der hat dich auch gehört. Er hätte dich am liebsten auf der Stelle an die Luft gesetzt. Suzanne, wie oft muß ich dir noch sagen, daß du höflich mit den Kundinnen sein sollst.«
    Suzanne zuckte mit den Achseln. »Diese Braut hatte anderes im Kopf, sie hat nicht einmal gemerkt, daß ich sie beleidigte. Hör zu, D’Arcy — «
    Doch ich konnte ihr nicht zuhören. Mich überfiel plötzlich tiefste Verzweiflung. Da saß ich, knabberte an meinem zusammengerollten Salat und dachte: Mein Gott, das ist mein Geburtstag, und er vertröpfelt so einfach. Mein ganzes Leben rinnt auf diese Weise dahin, und ich kann nichts tun, um es aufzuhalten.
    Ich sah mich in der Kantine um. Die Tische waren vollbesetzt. Bei Fellowes arbeiten sieben- oder achthundert Menschen, und ungefähr ein Drittel von ihnen war hier unten während der Mittagspause von dreizehn bis vierzehn Uhr versammelt. Ein paar .junge Männer waren dabei, saubere, anständige College-Typen, doch sie zählten im Grunde nicht. Sie waren in der Ausbildung in verschiedenen Abteilungen und verdienten kaum genug, um ihre Wäscherechnungen zu bezahlen, die armen Teufel. Außerdem sahen sie aus, als fühlten sie sich höchst unbehaglich, als hätten sie sich aus Versehen hier herunter verirrt. Männer gehörten hier nicht her. Es war eine weibliche Festung, ein großer, bunter Hühnerhof voller Hennen jeden Alters. Hunderte von weiblichen Wesen, Hunderte und aber Hunderte. Hübsche, junge Dinger um die achtzehn, wie Alice Pye; Mädchen, die eigentlich keine mehr waren, wie Suzanne und ich; Frauen in mittleren Jahren, heftig zurechtgemacht, um ihre welker gewordene Haut zu verdecken — wie Mrs. Hazel und Miß de Wild; und dann ältere Frauen kurz vor der Pensionierung, wie Mrs. Buckingham. Was würde aus ihnen werden, diesen Hunderten von weiblichen Wesen? Meine Mutter hatte recht gehabt heute morgen. Wo waren ihre Männer, wo ihre Babys, ihre Haushalte, ihre Träume? Weitere Hunderte standen oben in den Abteilungen, verkauften Blusen und Morgenröcke, Schuhe und Parfüm; packten Paketchen, trugen Zahlen in Hauptbücher ein; hämmerten auf Schreibmaschinen; taten irgend etwas, um am Leben zu bleiben. Doch das waren nur die Frauen bei Fellowes. Wie stand es mit den Hunderten und aber Hunderten bei Saks und Bonwirts, bei Peck & Peck, Lord & Taylor, Altman und Bimbels, Macy und Ohrbach? Was war mit den Tausenden und aber Tausenden in den Büros in der Stadt, die sich in den Straßen, in Bussen und Untergrundbahnen drängten?
    Eine fürchterliche Vorstellung. Massen von Frauen, Frauen ohne Zweck und Ziel, die alle um ein Fetzchen Leben in dieser riesigen, grauen, entzauberten Stadt kämpften, die jede Minute älter, weniger schön, weniger anziehend, weniger liebenswert wurden —
    »D’Arcy«, sagte Suzanne.
    »Ja.«
    »Arme D’Arcy — bist du so melancholisch, weil du heute Geburtstag hast?«
    »Unsinn.«
    Sie lächelte mich verständnisvoll an. Sicher wußte sie genau, was mir durch den Kopf gegangen war. »Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Hast du heute abend etwas vor?«
    »Nein.«
    »Gut. Dann laß uns ausgehen und feiern. Schließlich hat man ja Gott sei Dank nur einmal im Jahr Geburtstag. Wir gehen in ein gutes Restaurant, trinken guten Wein, essen etwas Gutes, amüsieren uns und gehen vielleicht ins Kino. Was hältst du davon?«
    Was hatte ich schon zu verlieren. »Einverstanden.«
    »Famos. Ich hole dich um sieben bei dir zu Hause ab.« Sie lächelte. »Kopf hoch, Miß Evans. Du hast noch viele gute Jahre vor dir. Trink deinen Kaffee aus, und dann gehen wir einmal um den Block.«

    Wir spazierten einmal schnell um den Block und kehrten dann zurück in die Abteilung. Am Empfangspult stand eine völlig verstörte Miß Greene. »Miß Evans!« rief sie. »Bin ich froh, daß Sie wieder da sind!«
    »Was gibt’s denn, Miß Greene?«
    »Wir können die Sendung Albacini nicht finden«, jammerte sie.
    »Was?«
    Sie stand und rang die Hände. »Wir haben die ganze

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