Lauter Bräute
flammte jedenfalls sofort Mißtrauen auf. Einige der sie umgebenden Weiblichkeiten reagierten ebenso, ihre Gesichter versteinten; sie wußten auf der Stelle, daß etwas nicht in Ordnung war.
»Möchten Sie und Ihre Brautjungfern mir bitte in die Anprobe folgen«, fuhr ich schnell fort. »Miß Margot kann dann den Kopfputz probieren —« Eine massive Dame neben Miß Albacini sagte: »Ach, Sie probieren erst den Kopfputz und dann das Kleid?«
Sie war wohl Miß Albacinis Mutter; ich witterte Gefahr. »Oh, ja«, erwiderte ich leichthin. »Das tun wir häufig, um Zeit zu sparen.«
Darauf ließ Mrs. Albacini einen längeren Redeschwall vom Stapel, in dem sie mir mitteilte, daß sie durchaus nicht meiner Meinung sei. Etliche Freundinnen und Verwandte äußerten ebenfalls ihr Mißfallen. Miß Albacini sagte: »Meine Mutter hat recht. Ich finde auch, wir sollten erst die Kleider probieren. Außerdem möchte ich, daß meine Mutter sich das Kleid ansieht, ehe ich es anziehe.«
»Eben«, erklärte Mrs. Albacini. »Zuerst möchte ich mich vergewissern, daß die Spitze tadellos ist. Dann wird sie das Brautkleid anprobieren, und danach den Schleier. Immer der Reihe nach, wie es sich gehört, wenn ich bitten darf.«
Nun hatte ich es: die Krise war da.
Als wäre es so normal wie das Aufgehen der Sonne, sagte ich: »Leider besteht da eine kleine Schwierigkeit —«
»Kleine Schwierigkeit!« schrie Mrs. Albacini auf. »Was für eine kleine Schwierigkeit?«
»Die Kleider sind alle hier, sie sind geliefert, doch wir haben etwas Mühe, sie zu lokalisieren. Bitte, beunruhigen Sie sich nicht. Wir werden sie finden — «
»Oh, mein Gott!« japste Miß Albacini. »Ich hab’s gewußt, daß alles verquer gehen würde; ich hab’s doch gewußt.«
Frauen flüsterten miteinander, drängten sich etwas näher heran, um mich in Augenschein nehmen zu können. Mrs. Albacini fragte ungläubig: »Si e können die Kleider nicht finden? Die Kleider?«
»Sie sind hier, Mrs. Albacini«, erklärte ich noch einmal. »Ich habe mich beim Fabrikanten erkundigt, sie sind zweifellos hier. Drei von meinen Leuten sind im Kellergeschoß und suchen. Es kann sich nur um ein paar Minuten handeln, bis sie sich anfinden.«
»Ich hab’s in den Knochen gespürt«, weinte Miß Albacini, »daß heute eine Katastrophe passieren würde«, und damit schickte sie sich an, in Ohnmacht zu fallen.
Ein Dutzend Arme streckten sich aus, sie zu stützen und zu einem der weiß-goldenen Sessel zu geleiten. In dem allgemeinen Durcheinander drängte ich mich durch zum Empfang und rief Mr. Poinder an; ich ließ das Telefon weiter und weiter klingeln, bis er sich schließlich meldete.
»Tut mir leid, Miß Evans. Kein Glück mit B 439.«
»Mr. Poinder, wir müssen diese Kleider finden, wir müssen.«
»Kein Zipfel vorhanden, Miß. Mir schleierhaft, wo die hingeraten sind.«
»Bitte, Mr. Poinder, suchen Sie weiter!«
»Okay.«
Ich drückte auf die Gabel und rief sofort anschließend Margot Barry an. Während ich wartete, sah ich einige Meter von mir entfernt Kirkpatrick stehen, der mich interessiert beobachtete.
»Schleierwerkstatt«, hörte ich Margots kühle Stimme sagen.
»Hier ist D’Arcy Evans. Ich bin im Foyer. Haben Sie alle Ihre Sachen für die Anprobe Albacini fertig?«
»Natürlich.«
»Dann kommen Sie so schnell wie möglich damit her.«
Sie schien höchlich verwundert zu sein.
»Ins Foyer? Warum?«
»Fragen Sie nicht. Kommen Sie.« Schon im Begriff aufzulegen, fiel mir noch etwas ein. »Haben Sie noch etwas Spitze vom Brautgesteck übrig?«
»Ein wenig.«
»Bringen Sie sie mit. Geben Sie sie Miß Albacini. Sagen Sie ihr, daß Sie sie eigens für sie aufgehoben haben, damit sie sie während der Trauung auf ihre Bibel legen und später eine Glücksbörse daraus machen kann. Verwickeln Sie sie in ein möglichst langes Gespräch. Wir sitzen hier draußen in der Klemme, und ich muß Zeit gewinnen.«
Sie verstand. »Bin sofort da.«
Als ich den Hörer auflegte, hörte ich Kirkpatrick sagen: »Irgendwelche Schwierigkeiten, Miß Evans?«
Zu einer Antwort kam ich nicht mehr. Mrs. Albacini segelte auf uns zu, einen anklagenden Finger auf mich gerichtet. Wahrscheinlich erkannte sie in Kirkpatrick den zuständigen Vertreter der Geschäftsleitung. »Sir!« flehte sie inbrünstig. »Helfen Sie uns. Helfen Sie uns!«
»Natürlich, gnädige Frau. Was kann ich für Sie tun?«
Sie übergoß mich mit Schimpf und Schande, als hätte ich das Leben ihrer Tochter
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