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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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hier sicher. Allerdings ist noch nie ein Mann von hier weggekommen, es sei denn, sie hätten’s gewollt. ›Sie‹ sind die in der Küche.«
    »Ich will doch gar nicht weg«, erwiderte Esmond und war selbst überrascht über diese plötzliche Erkenntnis. Schon immer hatte ihm der Sinn danach gestanden, Dinge in die Luft zu sprengen, und er hatte festgestellt, wie viel Freude es ihm machte, die Schweine zu versorgen. Vor allem aber fühlte er sich frei. Bei dem Gedanken, wieder in dem Haus in Croydon zu sein, wurde ihm flau. Hier draußen, wo auch immer dieses »hier« war, hatte er das Gefühl, er selbst sein zu können. Er wurde nicht von der Liebe seiner Mutter schier erdrückt, geschweige denn von seinem Vater mit einem Küchenmesser bedroht. Wenn er auf sein Leben zurückblickte, war ihm bewusst, dass er niemals auch nur einen Moment lang gewusst hatte, wer er war.
    Hier in dieser wilden Landschaft war ihm, als wüsste er es endlich. Selbst wenn er sich nicht ganz sicher war, wie er eigentlich hieß.
    »Dann schauen wir mal, ob das mit den Patronen klappt«, meinte der alte Samuel und schloss den Kupferdraht an den Generator an. »Achtung, ich schmeiße das Ding jetzt an.«
    Er schaltete den Generator ein, und ein dumpfes Grollen drang zusammen mit einer Wolke pulverisierter Erde aus dem Nebentunnel. Als sich die Wolke verzogen hatte, gingen sie hinein und betrachteten das Resultat der improvisierten Sprengung. Von dem alten Ford war nichts zu sehen.
    »Hol lieber mal die Taschenlampe, Joe. Sieht aus, als wäre die ganze Decke runtergekommen. Das heißt, dass wir uns das mit dem Stacheldraht sparen können.«
    Nichtsdestotrotz ging der alte Samuel kein Risiko ein. An diesem Abend malte er ein großes Schild mit der Aufschrift EINSTURZGEFAHR! und brachte es an einem Pfosten neben dem Eingang an.
    »Das sollte reichen«, stellte er fest.
    Und so bekam Esmond zum ersten Mal seit seiner Ankunft keine Schlaftablette und schlief tief und fest.

30
     
    Von Vera konnte man dergleichen nicht behaupten. Als der Superintendent wieder ins Krankenhaus kam, war sie gelinde gesagt verstört, hatte sich jedoch hinlänglich erholt, um Fragen zu stellen und ihrerseits Fragen zu beantworten. Der Superintendent wiederum war fest entschlossen, sich für ihre Attacke und dafür, dass er jetzt zehn Stiche in der Kopfhaut hatte, zu revanchieren.
    »Lassen Sie sie in dem Einzelzimmer«, wies er den Arzt an. »Sie muss so weit wie möglich von den anderen Patienten ferngehalten werden, und Sie müssen dafür sorgen, dass sie nicht aus dem Bett kann.«
    Als sich der Arzt erkundigte, weshalb das nötig sei, antwortete der Superintendent: »Sie ist eine Verdächtige in einem Fall, bei dem es anscheinend um mehrfachen Mord geht. Unbedingt ein Fall, bei dem sie gründlich vernommen werden muss.«
    »Allmächtiger! Mehrfacher Mord!«, stieß der Arzt entsetzt hervor. »Wen soll sie denn umgebracht haben?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Jedenfalls, es ist nur eine Vermutung, aber die Beweislage sieht so aus, als könnte sie mit einem schweren Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Ach, und wo Sie gerade dabei sind, können Sie ihr vielleicht was zur Beruhigung geben?«
    Verwundert sah der Arzt ihn an. »Zur Beruhigung? Diese Frau ist … weiß der Himmel, was sie ist. Meistens ist sie völlig hysterisch, es sei denn, sie ist komplett sediert.«
    »Ich will aber nicht, dass sie komplett sediert ist. Geben Sie ihr etwas, was ihre Ängste dämpft und sie einigermaßen zur Vernunft kommen lässt. Ich möchte nicht noch mehr Stiche am Kopf haben.«
    »Fünf Tropfen Rivotril in ihrem Tee sollten reichen.«
    »Was zum Teufel ist denn das?«
    »Das ist ein Benzodiazepin. Andererseits, wenn ich ihr jetzt gleich mehr verpasse, könnte sie einschlafen. Lassen Sie sie lieber noch eine halbe Stunde in Ruhe.«
    Der Superintendent verdrückte sich ins Wartezimmer, um Vera Zeit zu geben, zur Ruhe zu kommen, ehe er ins Zimmer trat, um sie zu befragen.
    »Mrs. Wiley, ich will Ihnen ja keinen Kummer machen«, log er teilnahmsvoll, »aber ich möchte wirklich herausfinden, wo Ihr Sohn abgeblieben ist. Vielleicht können Sie mir helfen. Fällt Ihnen irgendetwas ein, das Sie mir gegenüber nicht erwähnt haben?«
    Vera starrte ihn an. Das hier war ein ganz anderer Detective als der, den sie zu Boden gerissen hatte. Andererseits war sein Kopf immer noch verbunden, also musste es derselbe sein.
    »Aber ich hab’s Ihnen doch schon gesagt, ich weiß nicht, was

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