Lauter reizende Menschen
schickte sich an, ihr zu folgen, warf aber Jim doch noch einen betretenen Blick zu und murmelte etwas von Hüten, die ein Vermögen kosteten, und von Frauen, die immer gleich aufgeregt seien. Aber sie keifte dazwischen: »Komm schon, Harry! Laß dich doch nicht auf so ein blödes Affentheater ein!« Harry kam, und die beiden andern folgten. Mit allen Anzeichen verletzter Würde wendete der elegante Wagen und schwankte aufs Tor zu.
Einen Augenblick lang schauten die Zurückbleibenden ihm nach, dann bückte sich Jim verlegen grinsend und hob die kläglichen Reste des Hutes auf. Aufwiehernd steckte >Raubritter< den Hals ganz weit aus der Box heraus.
»Kommt nicht in Frage, alter Freund! Für heute hast du genügend Unheil gestiftet. Und das hier kommt ins Feuer!« schalt Jim — während er das Pferd im Vorbeigehen liebevoll in den Hals kniff. Dann schaute er die beiden andern an, die nun endlich ihrer mühsam unterdrückten Heiterkeit freien Lauf lassen konnten. »Eine reizende Dame!« feixte er. »Aber wir haben sie doch überlebt! Nun aber kommen Sie ins Haus zu einer Tasse Tee und einem fröhlichen Schwatz!«
Es war wirklich eine winzige Hütte; gar nicht daran zu denken, daß man hier eine Familie hätte unterbringen können. Aber alles war proper und tadellos aufgeräumt, und voller Stolz servierte Jim einen großen Obstkuchen, den Annabel ihm gebacken hatte.
Die kurze Teestunde verlief unbeschwert und angeregt, und Lucia bedauerte nur, daß Annabel nicht dabei war. »Sie ist unten bei Nigel und George gut aufgehoben«, meinte Jim. »Ich bin heilfroh, daß sie nicht hier oben in unmittelbarer Nähe des verdammten Mordschauplatzes hausen muß — wo dauernd Leute hereinschneien und fragen, wo und wie eigentlich alles geschehen ist... Donnerwetter, da kommt wohl schon wieder einer!«
Schnelle Schritte erklangen draußen auf der Veranda, und wenig später klopfte es forsch an die Tür. Zögernd stand Jim auf, aber kaum hatte er die Tür geöffnet, als seine Haltung sich schlagartig änderte. »Sie hier? Ich hätte es mir denken können!« Und eine frische Stimme antwortete: »Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler! Ach, Verzeihung, Jim: Ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben.«
Beim Anblick des hochgewachsenen Mannes, der nun ins Zimmer trat, sprang Philipp Ross auf. Zu ihrer nicht geringen Überraschung entdeckte Lucia etwas wie Ehrerbietung in seinem Benehmen. Aber der Neuankömmling nickte ihm nur zu und sagte: »Schon gut, Ross! Würden Sie mich der jungen Dame vorstellen?«
»Sie ist eine Freundin meiner Frau«, sprang Jim ein. »Sie will die Tankstelle >Zum Kreuzweg< übernehmen. — Und das, Lucia, ist Kriminalinspektor Wright.«
SIEBTES KAPITEL
Es war Abend geworden, und Lucia saß in ihrem Wohnzimmer daheim. Sie hatte sich über die Zeitung gebeugt und dabei die Tasse Tee, die vor ihr stand, völlig vergessen. Den ganzen Tag über war Lucia nicht zum Lesen gekommen, und nun starrte sie auf die riesige Schlagzeile: >Mord im Gebirge.< Es war die Überschrift zum Bericht über die Leichenschau von Bert Davis.
Da stand alles: die Aussage des Mannes vom Brückenbau-Lager über den Zeitpunkt des Brandes: nahezu eine halbe Stunde, nachdem das Erdbeben den Zeugen geweckt hatte. Das Gutachten des Arztes, Tod durch Ersticken als Folge einer Bewußtlosigkeit nach einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand. >Ein stumpfer Gegenstand!< Wie oft schon hatte Lucia diese Worte gelesen, wenn sie zuweilen in ihrer Bibliothek nach einem Kriminalroman gegriffen hatte. Dabei war ihr nie der Gedanke gekommen, sie könnten ihr einmal so dicht auf den Leib rücken.
Den Abschluß bildete der zusammenfassende Bericht des Coroners: Der Schlag habe zur Bewußtlosigkeit geführt, und während dieses Zustandes sei der Mann entweder im Rauch erstickt oder zu Tode verbrannt. Ob der Benzinkanister mit Absicht umgestoßen worden sei, um die Spuren des Verbrechens zu verwischen, oder ob er rein zufällig umfiel, sei nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln. Hätte das Feuer so heftig gewütet, wie der Mörder es offenbar erwartete, so wäre die Todesursache vermutlich unerkannt geblieben. Da jedoch das Feuer tatsächlich große Teile der Garage und des Autos verschont habe, habe man eindeutig feststellen können, daß der Mann vom Tode ereilt wurde, während er sich über den Motor seines Autos beugte: Offensichtlich habe ihm jemand von hinten einen Schlag über den Kopf versetzt.
Die Zeitung berichtete weiter, die Polizei
Weitere Kostenlose Bücher