Lauter reizende Menschen
er angefallen und fast umgebracht.«
»Jim jedenfalls rührt er bestimmt nicht an! Hallo, Jim!«
Der Trainer schaute auf und winkte freudig herüber. Dann warf er >Raubritter< ein Halfter um, während er den beiden Besuchern zurief, sie möchten sich einen Augenblick gedulden. »Erst bringe ich meinen Freund in die Box. Er ist nämlich heute ein bißchen aufgeregt.« — »Len hat mir erzählt, auch Sie kämen manchmal herauf, um ein wenig zu reiten«, sagte Lucia zu Ross. »Das fand ich einigermaßen überraschend.«
»Warum denn? Man kann doch nicht den ganzen Tag lang auf die Pirsch gehen! Und Jim ist ein Mann, in dessen Gesellschaft man gut aufgehoben ist. Außerdem habe ich Pferde gern.«
Wieder einmal stellte Lucia fest, wie sehr einen selbst Menschen überraschen können, die man zu kennen glaubte. Diesem Philipp Ross zum Beispiel hätte sie nie Freude an einem so harmlosen Vergnügen wie dem Reiten zugetraut. Viel eher konnte sie sich vorstellen, wie er im finstern Busch ahnungsloses Wild verfolgte oder wie er gutartigen Leuten nachstellte und bissige Scherze mit ihnen trieb. Aber voller Bitterkeit gestand sie sich ein, daß sie ja schon mehrmals einen empfindlichen Mangel an Menschenkenntnis bewiesen hatte.
Jim hatte >Raubritters< Box verriegelt und kam herbei. Verlegen schilderte ihm Lucia ihre Lage, aber er lachte nur. »Ich habe ein halbvolles Faß Benzin da! Ärgern Sie sich nicht: So etwas passiert jedem einmal! Ein Glück, daß Philipp gerade vorbeikam!«
Ross winkte zum Eingangstor hinüber. »Ich glaube, da kommt Besuch!« Jim schaute auf, und sofort rötete sich sein Gesicht. »Wieder so ein paar blöde Touristen, eine ganze Karre voll! Sie werden dumm glotzen, idiotische Fragen stellen und mir meine kostbare Zeit stehlen. Außerdem kann >Raubritter< sie ganz und gar nicht ausstehen!«
Vorsichtig kam ein schwerer, üppiger Wagen über den unebenen Hof heran, und nachdem er gehalten hatte, entstiegen ihm vier Leute, die offenbar Jims schlimmste Befürchtungen übertrafen. Während er, einen Fluch zwischen den Zähnen zermahlend, auf sie losging, flüsterte Lucia Philipp zu: »Die Frauen scheinen direkt vom Laufsteg einer Modenschau zu kommen! Sehen Sie nur den Hut: ein Berg von lauter Veilchen, und wohl einen halben Meter hoch!«
»Gräßlich!« bestätigte Ross. »Und der Mann! Wie der seine Zigarre hält! Ein widerlicher Angeber, möchte ich meinen.«
Der so abschätzig Charakterisierte ließ eine gönnerhafte Stimme vernehmen: »Sie haben doch nichts dagegen, daß wir uns die Gäule mal ansehen, was?« Er wandte sich zu der Dame unter dem Veilchenhut: »Wirklich erstaunlich, hier in der Gegend ein Trainingsgestüt zu finden!« Wieder schaute er Jim an: »Was tun Sie eigentlich so den ganzen Tag über?«
Möglichst nüchtern erwiderte Jim, er füttere und trainiere die Pferde. Es dauerte nicht lange, da fiel ihm die zweite Dame, deren Hut einem weißen Ballon ähnelte, begeistert ins Wort: »Wie herrlich! Ich habe Pferde so rasend gern! Seht nur das brave Tier dort, wie lieb es aus der Box herauslugt! Darf ich es einmal streicheln?«
Ross mußte sich das Lachen verbeißen, während Jim warnte: »Gehen Sie lieber nicht zu nahe! Es ist tückisch!«
Die Dame mit dem Ballonhut verzog die Lippen zu einem reizenden Schmollmündchen: »Aber haben Sie denn gar kein frommes Pferd? Da, das hübsche graue — dürfen wir da denn auch nicht heran?«
Immer düsterer wurde Jims Gesicht; aber wortlos ging er zur Box und ließ >Signorina< heraus. Der vierte Besucher, der bisher noch kein Wort gesagt hatte, hob überrascht die Hand. »Ach! Die Stute habe ich doch schon beim Rennen gesehen! Sie ist gar nicht schlecht, spurtet erst und fällt dann hoffnungslos zurück. Habe ich recht?«
Jim bestätigte es, während sich seine Wut immer deutlicher im Gesicht ausdrückte. Vor der nächsten Box erhob sich begeisterter Jubel über >Goldweides< Schönheit, und der Mann mit der Zigarre prophezeite mit arroganter Sicherheit: »Wenn das kein Meisterpferd wird, verstehe ich nichts von Pferden!«
»Das tut er auch nicht!« flüsterte Ross Lucia zu. »>Goldweide< ist ausgesprochen langsam. Sehen Sie nur, was Jim für ein Gesicht macht!«
»Und sehen Sie >Raubritter Ganz weit steckte >Raubritter< den Kopf aus der Box heraus, und der Ausdruck höchsten Mißvergnügens war nicht zu
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