Lauter reizende Menschen
saßen die beiden gemütlich vor dampfenden Tassen, und es entspann sich ein zwangloses Gespräch. »Ich hielt es für ratsam, Sie gleich heute abend zu besuchen, weil ich hoffte, Sie allein anzutreffen«, begann der Inspektor. »Dabei erwarte ich gewiß nicht, von Ihnen etwas erfahren zu können. Sie sind ja noch ganz neu hier, nicht wahr?«
»Richtig! Ich kam gerade an, als nachts die Erde bebte, und... der Mord geschah!«
»Kein ausgesprochen erhebender Anfang. Jim hat mir gesagt, Sie hätten das Feuer entdeckt, als Sie aus dem Fenster schauten.«
»Jawohl. Ich stand dort am Fenster und blickte auf den See hinaus — warum, weiß ich selbst nicht recht. Irgendwie war ich unruhig, rastlos, und hellwach nach dem Beben. Plötzlich bemerkte ich das Feuer oben auf dem Berg.«
»Und Sie können bestätigen, was bei der Leichenschau über den Zeitpunkt des Brandes festgestellt wurde?« Er deutete auf die Zeitung. »Sicher haben Sie den Bericht gelesen.«
»Allerdings, ich kann ihn bestätigen. Immerhin hatte ich zwischen Erdbeben und Brand Zeit genug, zwei Zigaretten zu rauchen und Tee zu kochen. Das Feuer kann also nicht unmittelbar nach dem Erdbeben ausgebrochen sein... Ich glaube auch nicht, daß der Benzinkanister von einem Erdstoß umgefallen ist.«
»Nein, das nehmen auch wir nicht an. Sie haben den Toten ja niemals gesehen. An Ihrem ersten Abend hatten Sie sicherlich keine Zeit, Bekanntschaften zu machen.«
»Nein, ich sah niemanden, außer Len und natürlich den Busfahrer. Ich wußte nicht einmal, wie die Postzustellung hier funktionierte. Deshalb kann ich Ihnen kaum behilflich sein.«
»In einer Hinsicht aber vielleicht doch: Haben Sie vielleicht irgendeinen Fremden gesehen? Ich meine, hat Ihr junger Mann etwa angedeutet, daß an jenem Tage oder am folgenden hier jemand getankt hat, den er nicht kannte?«
»Nein, davon hat er nichts erwähnt. Aber Len schläft ja neben der Garage, und er ist bestimmt noch nicht zu Bett. Ich möchte wetten, daß er Feuer und Flamme ist, wenn er hört, daß ein leibhaftiger Kriminalbeamter ihn vernehmen will. Soll ich ihn rufen? Ich brauche nur auf den Klingelknopf draußen auf dem Flur zu drücken.«
»Vielen Dank! Bitte, ja. Ein guter Gedanke übrigens, eine solche Rufanlage zu bauen! Bei dem Jungen und dem Hund sind Sie eigentlich in guter Hut, nicht wahr?«
»Nun, Rosies bin ich nicht so sicher! Sie haben ja selbst erlebt, wie sie vor Besuchern außer Rand und Band gerät — vor lauter Freude und Freundschaft!«
»Hm, ja. Aber sie sieht nicht gerade gütig aus, sondern macht einen durchaus furchterregenden Eindruck — und darauf kommt es schließlich an. Nun, es besteht ohnehin keinerlei Grund zu der Annahme, daß noch mehr geschieht — nur weil es nun einmal einen Mord hier gegeben hat... Ach, da kommt Len!«
Der Tankwart bemühte sich redlich, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen. »Len, das ist Inspektor Wright, der Ihnen ein paar Fragen stellen möchte.« Zu ihrer grenzenlosen Überraschung gewann sie den Eindruck, daß er ungewöhnlich nervös wurde.
Wright jedoch schien das nicht zu bemerken; auf entwaffnende Art lächelte er den Jungen an. »Jawohl, Len, obwohl ich bezweifle, daß Sie mir viel weiterhelfen können. Im Augenblick bin ich vor allem hinter der Frage her, ob etwa am Tage vor oder nach der Mordnacht Fremde hier aufgetaucht sind. Hat vielleicht jemand bei Ihnen getankt, der Ihnen aus irgendeinem Grunde auffiel? Ein Ausländer zum Beispiel? Oder hat Sie ein Unbekannter nach dem Wege gefragt?«
Len schluckte mühsam. Er saß da und glotzte den Inspektor mit Augen an, die jeden Augenblick aus den Höhlen zu rollen drohten. Dies war offensichtlich einer der ganz großen Augenblicke seines jungen Lebens, und Len schien sein Gehirn zu kneten, um etwas Bedeutsames zu entdecken. Endlich aber schüttelte er bedauernd den Kopf. »Nein, Sir, ich kann mich an niemanden erinnern! Jeder Fremde wäre mir sofort aufgefallen — jeder Ausländer, und jeder, der anders ist als wir! Die meisten Leute kommen ja beimTanken ein bißchen ins Schwatzen.«
»Das eben dachte ich mir. Gut, Len, lassen Sie sich Zeit! Führen Sie sich jede einzelne Minute jenes Tages noch einmal vor Augen. Ist Ihnen dabei wirklich nichts Bemerkenswertes aufgefallen?«
Len folgte der Aufforderung, aber wieder blieb der Erfolg aus. »Ich weiß nur noch, daß ich auf Luce wartete — auf Miss Field, meine ich; und daß ich alles ganz prima putzte und aufräumte. Es war ein
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