Lauter reizende Menschen
zu füllen, hatte vergessen, ihr eigenes Auto zu versorgen! Es war wirklich zum Heulen — oder Lachen!
»So etwas Blödes! Len schaut sonst immer nach, heute aber hatte er gerade viel zu tun, und da habe ich den Wagen selbst herausgeholt und bin einfach abgefahren. Leider muß ich zugeben, daß ich an den Umgang mit Autos nicht recht gewöhnt bin — obwohl ich eine Tankstelle betreibe!« Sie sah ihn lächeln und fuhr hastig fort: »Nun sagen Sie es doch schon: Das haben Sie am ersten Tag bemerkt, als ich mit dem Öl nicht Bescheid wußte! Lachen Sie mich ruhig aus!«
Zu ihrer Überraschung lachte er nicht im geringsten, sondern versicherte ihr freundlich: »Ich denke gar nicht daran! Vielmehr finde ich Ihren Entschluß, nach der Erkrankung Ihres Onkels hier den Betrieb zu übernehmen, ausgesprochen schneidig. Es war nicht schön von mir, daß ich mich damals über Sie lustig gemacht habe, aber ich war schlecht gelaunt. Mir lag nämlich etwas auf der Seele... Übrigens passiert es jedem Autofahrer einmal, daß er plötzlich mit leerem Tank dasteht, mehr als einmal bin ich in dieser peinlichen Lage gewesen. Also seien Sie nicht so empfindlich. Wir fahren jetzt zu Jim hinauf und leihen uns etwas. Wollten Sie eigentlich zu den Stallungen? Oder folgten Sie dem Beispiel der neugierigen Fremden, die sich an Davis’ alter Hütte und dem sogenannten Schauplatz des Verbrechens nicht satt sehen können?«
Wie schade, daß er damit alles wieder verdarb! Eben noch war er so nett gewesen, und nun mußte er wieder so bissig werden! Würdevoll erwiderte Lucia: »Ich werde gar nicht erst den Versuch machen, mich daran satt zu sehen! Der Busfahrer hat bei uns ein Paket vergessen, auf das Jim wartet; das wollte ich ihm hinaufbringen.«
»Aha. Aber vorher müssen wir Ihren Wagen aus dem Wege schaffen. Rückwärts wird er ja ohne weiteres rollen, also stellen wir ihn hinter der Kurve an den Straßenrand. Setzen Sie sich nur hinters Steuer!«
Lucia fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut: Rückwärts fuhr sie recht unbeholfen, und auf der andern Straßenseite stürzte das Gelände ganz steil ab. Aber ihr neu erwachender Zorn beflügelte sie; sie setzte sich auf den Fahrersitz und betätigte das Steuer. »Anders einschlagen!« mahnte Ross, während er mit flinkem Griff den Fehler korrigierte. »Sonst wird demnächst noch eine Leiche gefunden; und diesmal würde man vor allem mich verdächtigen!«
Hart zog Lucia die Handbremse an; ihre Nerven schwirrten. »Steuern lieber Sie!« rief sie. »Ich bin keine sichere Fahrerin, vor allem komme ich bestimmt nicht rückwärts um die Kurve!« Aber er schüttelte nur den Kopf. »Nutzen Sie die günstige Gelegenheit aus, etwas zu lernen!« Und schon löste er die Bremse, legte jedoch seine Hand neben die ihre aufs Steuerrad.
»So, ja!« Ganz ruhig klang seine Stimme. »Es ist doch ganz einfach.« Und tatsächlich gelang es ihr mit seiner Hilfe, den Wagen um die Kurve zu steuern und ihn sicher auf dem Grünstreifen zu parken. Stark und gut hatte Philipps Hand auf dem Steuer gelegen, und nicht ein einziges Mal hatte er sie ausgelacht.
»Bestimmt hat Jim Benzin oben«, meinte er, während sie beide in seinen Wagen stiegen. »Er wird uns bestimmt etwas leihen. Ich bringe es ihm später zurück.« Zum erstenmal fühlte sie sich in seiner Gegenwart geborgen, und froh und unbefangen plauderten sie miteinander, während das Auto die Bergstraße hinaufbrummte.
Bald sahen sie oben auf der Hochebene die Stallung an der Straße liegen, und wenige Minuten später bogen sie in den Hof ein. »Das Grundstück von Davis liegt gar nicht weit von hier«, meinte Ross. »Aber Jim hat ihn, wie er sagt, nur selten gesehen. Ein komischer Kauz muß er schon gewesen sein — er lebte vollkommen zurückgezogen und tat, als trüge er einen Groll gegen alle Welt mit sich herum. Niemand weiß, ob er irgendwelche Angehörige hier oder anderswo hatte; überhaupt weiß niemand etwas Rechtes über ihn.«
Das kleine Wohnhaus war leer. Bald entdeckten sie Jim unten auf der Koppel, wo er an einer selbstgebauten Startschranke herumbastelte. Ganz nahe bei ihm stand >Raubritter< und schaute mit kritischem Interesse zu. »Ich begreife einfach nicht«, rief Lucia aus, »warum Jim gerade dieses Pferd ständig frei herumlaufen läßt!«
»Er will seine Theorie auf die Probe stellen und versucht, dem Pferd Vertrauen zu den Menschen zurückzugeben.«
»Aber >Raubritter< ist doch verdorben, ein Outlaw! Sogar einen Stallburschen hat
Weitere Kostenlose Bücher