Lauter reizende Menschen
nur zu, daß Ihre Frau so weit wie möglich aus der ganzen Sache herausbleibt!«
»Wenn ich auch nur eine Sekunde lang glaubte, der Mörder sei einer von unseren Bekannten, dann würde ich sofort meine Stelle und sogar >Raubritter< aufgeben und Annabel wegbringen.«
»Wieso? Ich wüßte nicht, inwiefern sie in Gefahr schweben könnte!«
»Tatsächlich schwebt sie ja auch nicht in Gefahr — weil Sie nämlich auf dem Holzweg sind!«
»Vielleicht! Dennoch dürfen wir keine Möglichkeit auslassen!«
Damit hatte sich Wright verabschiedet, um in die Stadt zurückzukehren. Natürlich bliebe er in Verbindung mit Ross, hatte er Jim versichert.
Erst nach Mitternacht riß Jim sich los und fuhr langsam zum Gestüt hinauf. Es war ein gelungener Abend gewesen, auch wenn Mrs. Whartons Eintreffen der Ungezwungenheit nicht eben förderlich gewesen war. George und Nigel waren nette Kerle, und Annabel war in guten Händen. Unsinn, die beiden ernsthaft zu verdächtigen! Und nur gut, daß er Annabel nichts von Wrights Verdacht verraten hatte! Dennoch war es Jim schrecklich, daß er vor seiner Frau Geheimnisse haben mußte.
Vor dem Tor der Stallung erwartete ihn ein fremder Wagen. Während Jim verblüfft hinüberstarrte, stieg Ross aus und kam auf ihn zu.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie zu so später Stunde störe! Aber ich hielt es für besser, lieber hier oben auf Sie zu warten und Sie nicht gleich nach dem Fest anzusprechen.«
»Sie haben eine bewundernswerte Geduld! Ich dachte, Sie lägen schon längst im Bett. Kommen Sie nur herein!«
In der kleinen Küche musterten sich die beiden Männer stumm eine ganze Weile. Endlich brach Ross das Schweigen. »Der Inspektor sagte mir, ich dürfe Ihnen unbedingt vertrauen. Ich brauche Hilfe — von jemandem, der sich hier in der Gegend und unter den Einheimischen etwas auskennt.« — »Ich bin aber erst knapp zwei Monate hier: Worum geht es denn? Haben Sie etwa, wie Wright, die komische Idee, der Mörder sei unter uns?«
»Ich weiß nicht recht«, meinte Ross nachdenklich. »Ich muß noch viel herausfinden, ehe ich nur im leisesten sicher sein kann... Nun, ich habe mich einen ganzen Nachmittag lang mit Davis beschäftigt und dabei alle seine Bankauszüge, Quittungen und so weiter durchgesehen. Er hat laufend Geld bekommen, niemals große Beträge auf einmal zwar, insgesamt aber doch allerlei, jedoch nicht etwa fürs Austragen der Post. Er konnte sich einen teuren Wagen leisten und hatte sich außerdem ein ganz hübsches Sümmchen auf die hohe Kante gelegt. Ich neige zu der Ansicht, daß Davis manche Quelle anzuzapfen wußte und daß sein eigentlicher Beruf der des Erpressers war!«
NEUNTES KAPITEL
»Wenn möglich, Len, möchte ich jetzt eine Weile nicht gestört werden!« verkündete Lucia am folgenden Morgen mit allen Anzeichen der Aufregung. »Ich bekomme nämlich Besuch und möchte einen Kuchen backen.«
»Sie können Kuchen backen?« Die Frage war mit dem schuldigen Respekt, jedoch nicht ohne Zweifel gestellt.
»Oft tue ich es allerdings nicht«, gab das Mädchen zu. »Überhaupt kenne ich mich in der Küche nicht besonders gut aus — ich habe das Mrs. Middleton gestern ganz ehrlich gesagt. Aber einen Kuchen wird man doch zusammenbringen! Hier auf der Packung steht das Rezept für einen Königskuchen. Es klingt ganz einfach, und ich will es versuchen.«
»Ein Königskuchen ist etwas Feines!« meinte Len aufmunternd. »Also werde ich Sie nicht hinunterrufen — nicht einmal, falls der bedeutende Mr. Ross kommen sollte.«
Eine halbe Stunde später jedoch geschah es: Lucia blickte aus dem Fenster, stellte erleichtert fest, daß Len gerade nichts zu tun hatte — und winkte SOS. Sofort kam er heraufgelaufen. »Sind Sie in Not, Luce?«
Als Antwort deutete sie kläglich auf den Küchentisch. Dort stand ein Etwas, das kaum den Namen Kuchen verdiente. In der Mitte brodelte es noch; die Kruste hingegen war kohlschwarz gebrannt.
»Das Ergebnis all meiner Bemühungen!« jammerte Lucia. »Was habe ich nur falsch gemacht?«
Vorsichtig untersuchte Len das Machwerk, dann schüttelte er betrübt den Kopf. »Das weiß ich auch nicht. Jedenfalls erinnert das Ding entfernt an einen Krater!« Als er den beleidigten Ausdruck in Lucias Gesicht erkannte, fügte er hastig hinzu: »Allerdings ist die Färbung schöner, aber...«
»Was soll ich nur machen?« stöhnte das Mädchen. »Gewiß habe ich etwas Teegebäck, und vor Mrs. Middleton hätte ich überhaupt keine Angst... Aber
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