Lauter reizende Menschen
schnell nachschauen, Luce, ob er viel Geld mitgenommen hat. Hoffentlich hat er nicht die Kasse geleert!«
Lucias Überraschung war nicht minder groß als Lens Erleichterung, als sich die Kasse als unversehrt erwies. »Dann ist alles in Ordnung, Luce! Ein Glück, daß ich mein Bett hier aufgeschlagen hatte. Gleich morgen mache ich ein neues Schloß an die Tür.«
»Keineswegs ist alles in Ordnung: Sie haben einen wüsten Hieb davongetragen, und bald wird eine mächtige Beule Ihren Kopf zieren!«
»Was ist schon dabei, Luce? Jetzt weiß ich wenigstens, worauf ich am kommenden Samstag wetten werde: auf die Stute >Beulah Zu ihrer eigenen Überraschung stiegen Lucia die Tränen in die Augen. Was für ein tapferer, fröhlicher Mensch war doch dieser Len! Er sorgte sich nur darum, daß ihr Geld in Sicherheit war. Und nun bemühte er sich, sie auch noch zu beruhigen.
»Haben Sie nur keine Angst, Luce. Diebe stöbern ständig in der Welt herum, und es war mein Fehler, daß ich das Schloß nicht längst ersetzt hatte. Aber Rosie hat sich wacker benommen, was? Ich sage ja immer: Sie ist ein vorzüglicher Wachhund. Fast hätte sie den Burschen erwischt! Da sehen Sie, was für ein kluges Tier sie ist.«
Plötzlich lachte Lucia laut auf. Mit welcher Inbrunst Len sich bemühte, Rosies guten Ruf zu retten — ohne an sich selbst zu denken! »Das ist aber wirklich eine gefährliche Gegend!« rief sie. »Sie scheint von Mördern zu wimmeln.«
»Nicht doch, Luce! Der Mann eben war nicht auf Mord aus; er wollte nur stehlen. Wäre die Werkbank nicht gewesen, so hätte er mir überhaupt nichts angetan. Wir können jetzt ruhig wieder zu Bett gehen und schlafen — allerdings sollten Sie wohl erst die alte Dame wieder beruhigen, damit sie endlich aufhört, wie eine Kuh zu stöhnen!«
Nachdem aber Annabel und Lucia fort waren und er sein Bett quer vor die Tür geschoben hatte, fand er doch keinen Schlaf. Tief in Gedanken verloren saß er auf seinem Bett. Worauf hatte es der Eindringling eigentlich abgesehen? Und warum glaubte Len ganz insgeheim zu wissen, wer es gewesen war — so unglaubhaft der Gedanke auch schien? Wieder erinnerte er sich des kurzen Augenblicks, da er nach dem Rock des Fremden griff und einen rauhen Wollärmel spürte. Kläglich seufzte Len auf, während er aufstand und zu der Kiste in der Ecke ging. Der Gedanke war richtig verrückt, aber... Hastig blätterte er die Zeitschriften durch: Die Nummer mit dem Bild von >Martha< und dem Jockei war verschwunden!
Angestrengt grübelnd rang sich Len zu einem Entschluß durch: Er würde seinen Verdacht für sich behalten. Niemandem wollte er ihn mitteilen, weder Lucia noch sonst jemandem, nicht einmal Jim. Mochten sie ruhig denken, es sei ein Dieb gewesen, der die Kasse ausrauben wollte. Irgendein Fremder, der es bestimmt nicht wagte, wiederzukommen. Übrigens täuschte er sich bestimmt: Purdy konnte es doch auf keinen Fall gewesen sein!
Reiner Unsinn war das! Nie im Leben wäre Purdy gekommen, um eine Zeitschrift zu stehlen, die er doch ohne weiteres bekommen hätte, wenn er nur darum bat. Purdy war ein feiner Kerl, und Len verdankte ihm manchen guten Renntip. Er war der Besitzer der Stallungen und der Pferde, an denen Len so sehr hing. Auf keinen Fall durfte er ihn jetzt ins Gerede bringen!
Endlich streckte sich Len auf sein Lager. Der Kopf tat ihm rasend weh, aber sein Geist war nun zur Ruhe gekommen. Natürlich hatte er sich geirrt! Auf keinen Fall würde er etwas sagen. Es wurde ja auch kein Schaden angerichtet. Mit diesem tröstlichen Gedanken schlief er ein... und erwachte erst recht spät: Wie er feststellte, hatte Lucia die Tankstelle bereits vor einer guten Stunde eröffnet.
»Gräßlich, Luce!« rief er, während er eilends hinauslief. »Aber der Schlag auf den Kopf hat auf mich wie ein Schlafmittel gewirkt. Wie sind Sie denn mit dem Öl zurechtgekommen?«
»Glücklicherweise hat nur ein einziger Fahrer Öl verlangt, und zufällig kannte ich dessen Wagentyp. Ich war ja nur froh, daß Sie so gut schliefen. Na, Ihre Beule sieht wirklich grausig aus!«
»Sie ist aber nicht halb so schlimm. Ich habe einen dicken Kopf, der hart im Nehmen ist. Ach, da kommt ja Carmen — mit einem Spaten! Luce, ich habe das Gefühl, daß ich dringend ein gutes Frühstück brauche.«
Lucia lachte. »Das glaube ich Ihnen — aber Sie sind ein richtiger Feigling! Komisch, daß Sie vor Carmen Angst haben — wo Sie sich doch aus Dieben anscheinend gar nichts machen. Los,
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