Lauter reizende Menschen
Zeitschrift mit dem Foto der Stute >Martha< mit. Eifrig hielt er es Purdy hin.
»Sind das nicht Sie? Der Jockei sieht Ihnen ungemein ähnlich.«
Purdy schüttelte entschieden den Kopf.
»Das hat nichts mit mir zu tun. Ich bin nie im Leben in Ceylon gewesen.« — Enttäuscht ließ Len den Blick von der Zeitschrift zu Purdy und wieder zurück wandern.
»Komisch, wie? Hier, sehen Sie doch: Das Haar wächst genau wie Ihres!«
»Unsinn!« rief Purdy nachdrücklich. »Ich sage doch, daß ich nie im Leben außerhalb Neuseelands war; nur ein einziges Mal habe ich als Junge zwei Pferde nach Australien begleitet. Lassen Sie nur Ihre Einbildungskraft nicht mit Ihnen durchgehen, Len! Halten Sie sich lieber an Rennzeitschriften von heute!«
Len schien völlig verhagelt. Purdy machte sonst immer einen so fröhlichen Eindruck. Heute aber war er offenbar schlecht gelaunt.
»Nun, da habe ich mich also getäuscht. Aber der Mann sieht Ihnen wirklich schrecklich ähnlich, entschuldigen Sie, Mr. Purdy!«
Der Reiter blickte ihn etwas freundlicher an.
»Wo haben Sie denn die alten Dinger aufgestöbert?« fragte er in begütigendem Ton.
»Oben auf dem Dachboden über der Garage; eine ganze Kiste voller Zeitschriften steht da. Peter hat sie wohl gesammelt.«
»Hier sieht es ja ganz so aus, als hätten Sie heute nacht Hochbetrieb! All die vielen Wagen...«
»Nun, Mrs. Whartons Wagen hat versagt, und deshalb muß sie noch bleiben. Und ihre Tochter, Mrs. Middleton, ist zu uns gezogen, weil Luce sich zu einsam fühlt. Sobald der Mörder gefaßt ist, zieht sie wieder aus.«
Purdy knallte die Tür seines Wagens zu. »Sobald er gefaßt ist… Humbug! Die Polizisten werden im Leben niemanden erwischen, der sich hier im Busch verkriecht.«
»Meinen Sie, er hielte sich in der Nähe auf, Mr. Purdy? Das habe ich Luce gleich am ersten Tag versichert. Wenn er sich im Busch versteckt, dann finden sie ihn nie und nimmer, das glaube ich auch.«
»Ich meine überhaupt nichts in dieser Hinsicht!« Purdys alter Zorn flammte wieder auf. »Und ich habe keine Zeit, mich hier aufzuhalten und darüber zu schwatzen. Ich will zum Gestüt hinauf und habe es eilig.«
Ohne Abschiedsgruß und ohne den üblichen Renntip zum kommenden Wochenende warf er den Gang ein und fuhr mit hartem Ruck ab.
Bis tief in die Nacht hinein saßen Annabel und Lucia noch zusammen, lange nachdem Augusta sich in Lens Zimmer zurückgezogen hatte. Vertraulicher, als sie es je vorher getan hatten, tauschten sie ihre intimsten Geheimnisse aus.
»Da siehst du«, meinte Lucia endlich, »wie wenig ich von den Männern weiß!« Mit dieser knappen Zusammenfassung der Lehre, die sie aus den jüngsten Erfahrungen ihres kurzen Lebens gezogen hatte, sprang sie flink auf die Füße. »Aber nun wollen wir zu Bett gehen. Wir tragen James hier auf das Sofa, und dann wirst du mit Eve hoffentlich gut schlafen.«
Eine halbe Stunde später waren Haus und Tankstelle in Dunkelheit gehüllt. In Lens Zimmer schnarchte Augusta Wharton mit einer Hingabe, die an einer Frau, die angeblich stets schlecht schlief, höchst verwunderlich war, und auf seinem Feldbett in der Garage träumte Len von einem Ritt auf einem kurzatmigen Pferd, das unter rhythmischem Keuchen einer Ziellinie zustrebte, die sich ständig weiter entfernte.
Im Häuschen oben schlummerten die Kinder friedlich, und Annabel ruhte gelöst neben ihrem Töchterchen. Nur Lucia fand keinen Schlaf.
Die Unterhaltung mit Annabel hatte manche Erinnerung erweckt, und plötzlich kam ihr voll zum Bewußtsein, wie weit entfernt inzwischen das ganze frühere Leben im Elternhaus, wie weit auch die Bücherei und Wayne Norton zurück lagen. Sogar an Onkel Peter dachte sie nur im Zusammenhang mit der Garage. Wie eigensüchtig sie doch war! Aber sogleich sprang sie sich selbst verteidigend bei: >Aber es geht ihm ja besser, als wir alle zu hoffen gewagt hatten, und erst vor zwei Tagen habe ich ihm einen ausführlichen Brief geschrieben und restlos alles berichtet.< Damit kehrten ihre Gedanken erneut zur unmittelbaren Gegenwart zurück.
Fast konnte sie selbst es nicht glauben, wie kurze Zeit sie erst hier oben war; erst vierzehn Tage waren vergangen, seit sie Nigel Howard kennengelernt hatte; erst zehn Tage, seit Philipp Ross die Tankstelle besucht und sie so überheblich behandelt hatte! Noch jetzt benahm er sich zuweilen arg hochnäsig. Erst heute nachmittag hatte er sie wieder durchdringend angesehen, als sie der Polizei durch die Blume die Meinung
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