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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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protestierender Menschen schoben sich wie homogene Organismen über Straßen und Plätze und drängten sich, in verbissenem, bisher unbekanntem Schweigen verharrend, vor den öffentlichen Gebäuden. In Frankreich schloß sich das Militär den Demonstranten an, in den anderen Ländern weigerte es sich einzugreifen.

    Der englische Premierminister, Frankreichs Ministerpräsident und der Staatschef Italiens erklärten unter der Last des schweigenden Drucks den sofortigen Austritt ihrer Staaten aus der Union.
    In der Bundesrepublik Deutschland vermochten sich die Ministerpräsidenten der Länder auf keiner gemeinsamen Basis zu treffen. Während die einen den unverzüglichen Abzug der amerikanischen Truppen forderten, ließen die anderen die Stützpunkte der sogenannten Garantiemacht durch doppelte Kordons von Sicherungskräften abschirmen. Auch hier hüllten sich die Millionen von Demonstranten in tiefes Schweigen, das den allgemeinen Unmut deutlicher zur Kenntnis brachte als das bisher übliche Skandieren von Losungen.
     Der südliche Teil der Union zerbrach, als die letzten Säulen außerhalb der USA, Südafrika und Uruguay, stürzten. In Johannesburg und Montevideo wurden die Regierungspaläste von den aufgebrachten Volksmassen kurzerhand gestürmt. Die Situation zeigte sich bereits wenige Stunden später deutlich klarer als im Norden, da sich die Völker des Südens eigene Räte gewählt hatten, hinter die sich in Uruguay sogar das Militär stellte, vor allem wohl, weil sich die Regierung seit Monaten außerstande gesehen hatte, den Sold aufzubringen. An die Befehlshaber der US-amerikanischen Militärbasen in Südafrika und Lateinamerika ergingen geheime Depeschen, in denen ihnen befohlen wurde, sich in den Objekten einzuigeln und mit dem Ausfliegen des entbehrlichen Personals und der Diplomaten zu beginnen.
    Die Pazifische Union, seit Jahren nur noch durch den Einsatz enormer Mittel für Diversion und Manipulation am Leben erhalten, verschied ohne großes Aufsehen. Der Präsident befahl das Anlaufen des Planes Blau, der die schnellstmögliche Evakuierung des US-Personals und der zivilen Hilfskräfte beinhaltete. Vom Aparri Air Field auf den Philippinen starteten im Verlauf von zwei Stunden über eintausend Jagdbomber und begaben sich an Bord der acht Superträger der 9. Flotte, die seit Tagen in Sichtweite vor Luzon ankerten. Mit ihnen gingen fast zwanzigtausend Offiziere und Soldaten sowie mehr als zehntausend einheimische Spezialisten außer Landes. Sie hatten den Weg durch die Wälder der Insel zu Fuß zurücklegen müssen und schilderten danach ihre Flucht als eine Reise durch die Hölle.
    Auch Japan sagt sich von seinem ungeliebten Verbündeten los. Das ist der vielleicht undramatischste Vorgang dieser Art. Der japanische Ministerpräsident begibt sich persönlich zu dem Befehlshaber der 12. Flotte und ersucht ihn, den Hafen von Kushiro mit allen Einheiten unverzüglich zu verlassen und sich außerhalb der Hoheitsgewässer zu begeben.
    Gleichzeitig führt wesentlich weiter südlich die zögerliche Haltung der australischen Zentralregierung zu Ausschreitungen. Aufgebrachte Massen stürmen die Botschaft der USA in Melbourne. Obwohl die Polizei nicht eingreift, gibt es Tote und Verletzte. Das amerikanische Personal der Botschaft flieht mit Hubschraubern ins Innere des Kontinents, und zwar in das stark befestigte Ausweichquartier am Fuß des Ayers Rock.
    Dies ist die vorläufig letzte Meldung, aber es ist abzusehen, daß sich die Verbündeten, bis auf wenige Ausnahmen – lossagen werden. Irgendwann innerhalb der nächsten Stunden wird der amerikanische Präsident in seiner bekannten burschikosen Unbekümmertheit erklären, daß der Starke am mächtigsten allein sei.
     
    Es ist sehr kalt geworden in seiner Kabine. Er hat den Thermostat viel zu weit herabgeregelt. Doch er kann sich jetzt nicht entschließen, aufzustehen und die Einstellung zu korrigieren. Statt dessen zieht er die Decke fester um seine Schultern und döst mit halbgeschlossenen Augen.
    Die Welt hat sich seit der Zeit, in der er Steine gegen Campzäune warf, erheblich verändert. Denn heute verfügen die damals noch weitgehend unorganisierten Massen über die Mittel der Regie, über grundlegende Kenntnisse von Ideologie und Organisation. Sie sind stärker geworden, viel stärker. Und vor allem selbstbewußter.
    Nur, wie lange können sie sich, mit nichts als dem Willen zum Leben und der organisierten Klugheit politischen Handelns versehen, gegen

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