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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Big Boss oder ähnliches.
    Schon will er an der Tür vorbeigehen, da bemerkt er, daß es in der Kammer weder verqualmt noch laut ist. Sie spielen also doch nicht. Zumindest nicht Big Boss, denn das läuft nie ohne Lärm ab. Sie rauchen auch nicht, die da drin. Vier oder fünf Männer, ausschließlich Mannschaftsdienstgrade, sitzen mit seitlich geneigten Köpfen vor der Komanlage und lauschen einer kaum vernehmbaren Stimme. Ihre Körperhaltung hat etwas durchaus Konspiratives, was jedoch, wie er sich sofort eingesteht, nichts besagen will. Sie könnten ebensogut einem sehr leise hereinkommenden Sender lauschen, der mit der Gemeinschaftsanlage einfach nicht auf größere Lautstärke zu trimmen ist.
    »Die Briten also auch?« fragt einer der Männer, ohne sich zu bewegen.
    »Zuerst die Franzosen und nun die Engländer. Scheißeuropa!« regt sich ein anderer auf.
    Sie sprechen sehr leise. Offenbar, um den Sender nicht zu übertönen. Trotzdem hört man ihren Stimmen Erregung an.
    »Also hat uns innerhalb weniger Stunden ganz Europa im Stich gelassen?«
    »Noch nicht das ganze. Bisher liegen keine Meldungen…«
    »Dieses vermiefte alte Europa hätten wir längst umpflügen sollen. Ich sage euch, es taugt zu nichts anderem. Aber… was wird überhaupt mit den Raketen, die wir dort haben, he?«
    »Im Eimer, nehme ich an. Vielleicht richten sie sich in zwei, drei Jahren gegen uns.«
    »Das wird er sich nicht gefallen lassen, Männer. Er wird Konsequenzen ziehen, ihr werdet es sehen.«
    »Was heißt hier ›er‹, he? Wir werden die Konsequenzen ziehen, wir. Schließlich kämpfen wir für unser Volk, für uns, und nicht nur für unseren Präsidenten.«
    »Schon gut, schon gut! Daß du meine Worte immer auf die Goldwaage legen mußt. Natürlich werden wir für unser Land kämpfen.«
    »Paß auf, was ich dir sage, Herb. In zwei, drei Tagen geht der Ofen an. Ich habe eine Nase dafür. Die Warterei hat ein Ende. Als wir damals vor den Azoren erfuhren, daß…«
    »Das wird aber ein Riesenfeuerwerk geben, mein Lieber. Ganz Europa, ganz Asien, Afrika bis auf den kleinen Zipfel im Süden, Lateinamerika, ein tolles Programm, wenn du mich fragst.«
    »Ja, die Welt wird den Atem anhalten, Männer. Und wer weiß, ob sie danach noch einmal zum Luftholen kommt.«
    Sie reden über den Krieg, sie sprechen von dem Entsetzlichsten, was man sich vorzustellen vermag, als handele es sich um eine Landpartie. Und als stünde das alles kurz bevor.
    Da geht er an der offenen Tür vorbei. Er hört sie aufspringen und die Hacken zusammenklappen. Die Grußerweisung geht in seinen hallenden Schritten unter.
     
    Obwohl er todmüde ist, kann er jetzt nicht schlafen. Er schaltet das Radio ein, sucht lange nach einem Sender, der Nachrichten oder Kommentare bringt, und begnügt sich dann doch mit seichter Musik und dümmlicher Reklame.
    In seiner Kabine ist es sehr heiß. Er spürt, wie sich auf seiner Stirn Schweißtröpfchen bilden. Er wartet. Obwohl er sehr müde ist, wartet er, daß etwas geschieht, daß sich die Kommunikationsanlage einschaltet und der Commander die Kernmannschaft in die Zentrale befiehlt oder daß Meldungen gesendet werden, die vom Zustand der Welt künden, einer Welt, die nicht mehr die seine ist. Etwas muß sich ereignen in den nächsten Minuten, er spürt es, etwas, was in dieses Durcheinander von Gerede, Meinungen und Gerüchten wenigstens den äußeren Anschein einer Ordnung bringt.
    Schließlich quält er sich hoch, regelt den Sensor der Klimaanlage herab und genießt den kühlen Luftzug, der seine feuchten Schläfen berührt.
    Irgendwann in dieser Nacht knallt ihm die monotone Stimme eines Sprechers in die Ohren. Sofort ist er hellwach. Der kühle Strom aufbereiteter Luft macht ihn frösteln, er legt sich eine Decke um die Schultern und lehnt sich zurück gegen die Wandbespannung. Seine Stellung ist nicht sehr bequem, aber da er jetzt ohnehin nicht mehr schlafen könnte, stört ihn das nicht. So lauscht er dem Bericht über den Zerfall einer Welt, die für die Ewigkeit gemacht zu sein schien.
    Der nördliche Teil der Allatlantischen Union ist mit der Gewalt einer Explosion zerstoben. Sofort nach Bekanntwerden der Tests aus dem Orbit haben sich in den meisten Ländern Europas spontan Demonstrationszüge gebildet, wie sie in diesem Ausmaß bisher unbekannt waren. Innerhalb einer knappen Stunde standen nahezu alle Fabriken still, der öffentliche Verkehr brach zusammen, die Häuser und Hotels leerten sich, ungeheure Massen

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