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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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sei er in ein Vakuum gestürzt worden. Nach den Wirren und Gefahren, nach den Abenteuern und Kämpfen, die sein bisheriges Leben ausgemacht hatten, war ihm jetzt, da das, was die Menschen seiner neuen Umgebung ihr Leben nannten, in ruhig sicherem Strom ohne Wirbel und Wellen dahinzufließen schien, als stünde sein Leben still. All die Fäden, die ihn bisher mit der Welt verbunden hatten, waren mit einemmal zerrissen worden.
    Er schrieb diese Empfindungen teils dem Umstand zu, daß sein Leben bisher nach ganz anderen Regeln und Maßstäben verlaufen war, teils aber auch der Tatsache, daß ihm Menschen verlorengegangen waren, die er liebte.
    Doch hinderte ihn die Einsicht, daß alles, was er bisher als wichtig und notwendig empfunden hatte, in diesem Land längst anderen Aufgaben und Erfordernissen gewichen war, in keiner Weise, die gesicherte Existenz seiner Gastgeber als bedenklich zu empfinden. Er war überzeugt, daß dieses lückenlose System individueller Geborgenheit, in dem es weder Zufälliges noch Unwägbares zu geben schien, notwendigerweise zu einem Mangel an Spontaneität und später sogar zu Lebensuntüchtigkeit führen mußte. Ein immer wiederkehrender Gedanke, der in nicht geringem Maß zu seiner Niedergeschlagenheit beitrug.
    Auch deshalb stürzte er sich mit Feuereifer in seine neuen Aufgaben, lernte Fremdsprachen und Mathematik, befaßte sich mit Geschichte und Elektronik, mit Philosophie und Logistik, arbeitete an Computern und Manipulatoren. Schließlich begann er die Wissenschaften als Abenteuer, das es zu bestehen, die Grenzen seines Wissens als Gegner, den es zu besiegen galt, zu empfinden. Und langsam erschloß sich ihm die Zielstellung seiner Existenz, eine Aufgabe, angesichts deren Größe es ihn eiskalt überlief: Er würde sich der Rettung der Menschheit verschreiben, dazu beitragen, Unrecht und Selbstüberhebung aus der Welt zu schaffen. Er war nicht selbstgefällig genug, anzunehmen, daß er dazu in der Lage sein könnte, aber er wollte zumindest ein Zeichen setzen, ein Fanal entzünden.
    Von Stund an tat sich eine ganz neue Welt vor ihm auf, fast von einem Augenblick auf den anderen hatte er eben noch mit seinem Schicksal, das ihn zur Untätigkeit verdammte, gehadert, so war er nun begeistert von den Möglichkeiten, die sich ihm eröffneten. Plötzlich wußte er, was er immer geahnt hatte: Die Waffen, mit denen er und seine Freunde gekämpft hatten, waren nicht mehr als Kinderspielzeuge gewesen, von den Steinen, die sie als Schuljungen gegen Campzäune geworfen hatten, ganz zu schweigen. Hier erst lernte er die Waffen kennen, mit denen sich die Menschheit ihre Zukunft erobern konnte: Wissen, Erkenntnis und den unbedingten Glauben an die naturgegebene Gleichheit aller Individuen. Das Bewußtsein, sich endlich den Mitteln gegenüberzusehen, die seinem Selbstverständnis entsprachen, spornte ihn in einer Weise an, die er früher nicht für möglich gehalten hätte.
    Er lernte und arbeitete von früh bis spät, und in den kurzen Nächten, in denen er sich die unabdingbar nötige Erholung gönnte, verspürte er im Unterbewußtsein oft Sorge, Zeit nutzlos zu verschwenden. Er war wie in einem Tätigkeitsrausch, und er vermochte nicht einzusehen, daß die Menschen in seiner Umgebung ihren Beschäftigungen nicht mit ähnlicher Ausschließlichkeit nachgingen. Für sie schien das, was er als neu und erregend empfand, längst zur Normalität geworden zu sein.
    Die größte Besorgnis aber verursachte ihm ihr unerschütterlicher Glaube an die endgültige, absehbare und dabei doch friedliche Beseitigung der gesellschaftlich bedingten Mängel, unter denen die Menschheit seit Jahrtausenden zu leiden hatte.
    Es war ein Volk, das mit jeder seiner Handlungen und jedem seiner Worte den Frieden beschwor, überzeugt, daß allein der Wille zum Frieden das Leben auf diesem Planeten endgültig aus allen Gefahren herausführen könnte.
    Er meinte, daß diesem Glauben ein prinzipieller Fehler zugrunde lag, nämlich die Annahme, alle Menschen seien im Besitz eines naturgegebenen Humanitätsempfindens, also eigentlich dem Grunde nach gut, und schlecht, raffsüchtig oder mordgierig nur durch deformierte Gesellschaftsordnungen geworden, und er fürchtete, daß diese Einschätzung sich eines nicht allzu fernen Tages als tödliches Verhängnis erweisen mußte.
    Manchmal kamen sie ihm vor wie Kinder, die andere für gut und freundlich hielten, nur weil sie selbst es waren.
     
    Beispielsweise Jarina, Mathematikstudentin

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